piwik no script img

„Die großen Kirchen sind nicht die Einzigen, die Gutes tun“

Zivil Die Humanistische Union setzt sichfür das Recht auf freie Entfaltung ein – und wehrt sich gegen die Einschränkung der Kirche. Geschäftsführer Sven Lüders über Privilegierung und bürgerlichen Protest

Sven Lüders

43, ist seit 2005 Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union in Berlin. Die Bürgerrechtsorganisation stellt sich gegen Diskriminierung und setzt sich für mehr Laizismus in der Gesellschaft ein.

taz: Herr Lüders, die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters darf in Templin keine Hinweisschilder für ihre „Nudelmesse“ aufhängen. Andere Kirchen dagegen dürfen für ihre Gottesdienste werben. Weshalb werden die großen bevorzugt?

Sven Lüders: Das ist auf viele Jahrhunderte der gegenseitigen Einflussnahme zwischen Staat und Kirche zurückzuführen.

Warum erkennt der Staat die Gemeinschaft um das Spaghettimonster nicht als Religionsgemeinschaft an?

Eigentlich hält sich der Staat in der Bewertung der religiösen Praxis zurück. Die einzi-gen Kriterien sind Dauer und Konsequenz. Aber diese Kriterien sind hier ja eigentlich erfüllt.

Im Grundgesetz sind doch alle Religionen gleich.

In der Tat gibt es durch das Grundgesetz eine formale Gleichbehandlung aller Religionsgruppen. In der Praxis sieht das aber dann ganz andersaus.

Inwiefern?

Die Amtskirchen genießen gewisse Vorteile. Beispielsweise sind sie in öffentlich-rechtlichen Gremien wie den Rundfunkräten vertreten oder erhalten einseitige staatliche Zuwendungen, zum Teil ohne entsprechende Gegenleistung.

Die Kirchen tun auch viel Gutes. Ohne finanzielle Unterstützung könnten sie manche soziale Leistungen nicht erbringen.

Das mag zwar sein, aber die großen Kirchen sind doch nicht die einzigen, die Gutes tun. Auch andere religiöse Gruppen sind gesellschaftlich engagiert und verdienen Unterstützung.

Wie jetzt? Wollen Sie die staatlichen Leistungen an Kirchen abschaffen oder ausbauen?

Wir treten dafür ein, die Privilegierung der Kirchen aufzuheben und staatliche Zuwendungen an Kirchen und beispielsweise Sport- und Kulturvereine nach dem gleichen Maßstab zu verteilen. Solange das System aber aufrechterhalten wird, wollen wir die kleineren Kirchen unterstützen und streiten für deren Gleichbehandlung.

Wird sich in absehbarer Zeit etwas ändern?

Jedenfalls nicht von alleine. Das muss erst von einer breiten gesellschaftlichen Front erstritten werden. Interview Philipp Saul

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen