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"Ein guter Zeitpunkt für so eine Klatsche"

Fußball Hertha hat gegen Mönchengladbach eine krachende 0:5-Niederlage eingefahren. Das schmerzt, könnte aber psychologisch von Nutzen sein

Mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht lief Pál Dárdai am späten Sonntagnachmittag durch den Mönchengladbacher Borussia-Park. Die Abendsonne warf ein warmes Licht, und der Trainer von Hertha BSC Berlin schien ganz und gar mit sich im Reinen. Dárdai war umgeben von einer demonstrativen Zufriedenheit, und diese emotionale Verfassung des Verlie­rer­trainers war eine ähnlich große Überraschung wie die krachende 0:5-Niederlage, mit der seine Mannschaft zuvor auf dem Rasen gedemütigt worden war. Das Spiel sei „mit dem richtigen Ergebnis“ abgepfiffen worden, sagte Dárdai vergnügt, und die These, dass sein Team vielleicht etwas zu offensiv zu Werk gegangen sei, wies er energisch von sich.

Folgt man seiner Argumentation, dann gab es zu diesem speziellen Zeitpunkt gegen diesen starken Gegner keine Alternative zur höchsten Niederlage der Berliner in diesem Spieljahr. Eine Niederlage, die zwar schmerzt, die aber psychologisch von Nutzen sein könnte.

Kapitän Fabian Lustenberger sprach von einem „Weckruf“ vor der entscheidenden Phase der Saison, und auch Dárdai erhofft sich eine positive Wirkung dieser Demonstration der Gladbacher Überlegenheit. Das zurückliegende Wochenende sei ein „guter Zeitpunkt für so eine Klatsche“ gewesen, „jetzt kommen die Jungs ein bisschen runter, arbeiten wieder fleißig und gewinnen das nächste Spiel“, erläuterte der Ungar.

Ein wenig Demut

Offenbar halten die Berliner Verantwortlichen es für nötig, dass die Spieler in ihren Träumen vom Pokalfinale und der Qualifikation für die Cham­pions League ein wenig Demut entwickeln. Salomon Kalou hatte vor der Länderspielpause ja gewagt, auszusprechen, was alle denken: „Wir hoffen, dass wir die Champions League zurück nach Berlin bringen.“ Unklar ist, ob Dárdai seiner Mannschaft diesen Schritt wirklich zutraut. Seine Formulierungen vom Sonntag klangen da nicht sehr zuversichtlich.

„Die sind schneller, besser, das ist ein Champions-League-Team“, sagte er über die Borussia, während es sich bei seiner Hertha lediglich um „eine fleißige Mannschaft“ handle. Und diese Worten bezogen sich eindeutig nicht allein auf das verlorene Spiel. Der Trainer nahm eine grundsätzliche Bewertung vor, die nicht danach klingt, als könne Berlin auch am Saisonende vor Mönchengladbach stehen.

Es schien, als habe Dárdai seiner Mannschaft und der gesamten Fußballwelt genau diese Unterlegenheit vorführen wollen: Seht her, ich habe es immer ­gesagt, wir sind nur zu Gast in den Champions-League-Regionen der Tabelle!

Torflut mit Folgen

Als Konsequenz aus dem Debakel erhoffen sich die ­Berliner, dass die Mannschaft kommenden Freitag mit geschärften Sinnen in das Duell mit Hannover 96 geht, und diese Reaktion ist ja nicht unwahrscheinlich. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob die Berliner in Mönchengladbach nicht trotz Dárdais Überzeugung von der eigenen Risikostrategie besser etwas destruktiver aufgetreten wären.

Zum einen waren es die kompakten Mannschaften wie Köln, Darmstadt oder Ingolstadt, die in den vergangenen Monaten gute Spiele im Borussia-Park zustande brachten. Und zum anderen kann die Torflut noch einmal fatale Folgen haben im knappen Rennen um die Europapokalplätze. Vor dieser heftigen Niederlage hatten die Berliner von allen Bewerbern um die Ränge drei bis sieben das beste Torverhältnis – dieses hübsche Polster, das genauso viel wert sein kann wie ein Punkt, ist nun weg. Die Hertha ist zwar noch Dritter, aber tatsächlich rücken die erfahrenen Europapokalkräfte aus Leverkusen und Mönchengladbach mit großen Schritten näher.

Daniel Theweleit

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