: Ein Feuerwerk des Zorns
PROZESS Das Amtsgericht Neumünster stellt das Verfahren gegen eine 27-Jährige ein, die aus Zorn über eine nahende Haftstrafe Feuerwerkskörper auf die Autobahn warf. Sie sei bereits ausreichend bestraft
Das Polizeiprotokoll wird fast poetisch: „Ferner konnte er wahrnehmen, dass die ganze Fahrbahn mit Funken bedeckt war“, heißt es da. Aber es heißt auch: „Der Zeuge H. soll sich bei jedem einzelnen explodierenden Feuerwerkskörper erschrocken haben.“ Es war am 3. Februar, als die 27-jährige Frau S. von ihrer Sattelzugkombination aus die A 7 in ein Feuerwerk verwandelte. Und deswegen stand sie am Montag wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vor dem Amtsgericht Neumünster.
Frau S. trägt einen dünnen blonden Pferdeschwanz und ein schwarzes Sweatshirt mit aufgedruckten Fledermäusen und kaut fortwährend Kaugummi. Vielleicht ist sie nervös, aber das ist schwierig festzustellen, weil vor allem ihre Anwältin spricht. An den Handgelenken trägt Frau S. silberne Armbänder mit dicken Kettengliedern, sie erinnern ein wenig an Handschellen. Frau S. kommt aus dem Gefängnis und nach dem Termin vor dem Amtsgericht wird sie dorthin wieder zurückkehren.
Das ist ihr Unglück, aber heute wohl auch ihr Glück. Ihre Anwältin erklärt, Frau S. habe die Feuerwerkskörper ohne schädigende Absicht geworfen. Die soll der damalige Freund von Frau S. in der Sattelzugkombination liegen gelassen haben. Frau S., die wegen Eigentumsdelikten am nächsten Tag eine Haftstrafe antreten soll, sah sie, nahm sie und feuerte sie ab. Aber sie habe keineswegs den Zeugen H. treffen wollen. Das habe sie bewusst vermieden. Die ganzen 40 Kilometer lang, die Frau S. brauchte, um die Raketen abzufeuern.
Bis Oktober 2010 werde Frau S. in Haft sein, stellt die Richterin fest. „Ist das die Planung?“, fragt sie. „Ich weiß es nicht so genau“, antwortet Frau S. Das Gericht glaubt nicht, dass es sinnvoll ist, sie zusätzlich zu bestrafen und stellt das Verfahren ein. Frau S. lächelt einem älteren Paar im Zuschauerraum zu, das ihr anschließend die Hand reicht. „Sie haben im Knast ja Zeit, über Ihren Lebensplan nachzudenken“, sagt die Richterin. FRIEDERIKE GRÄFF