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Fünf Dimensionen der Waldorfpädagogik

REZENSION Eine umfassende Darstellung aller Aspekte der Waldorfpädagogik, die ihre ursprünglich revolutionäre „Mission“ aufzeigt: eine grundlegende Wende der Pädagogik einzuleiten

Die Sorge des renommierten britischen Bildungskritikers Ken Robinson, unser Bildungssystem ließe die Kreativität ersterben, ist der Ausgangspunkt von Valentin Wembers Buch „Die fünf Dimensionen der Waldorfpädagogik im Werk Rudolf Steiners“. Sie bildet die Steilvorlage für die Darstellung eines Bildungsmodells, das eben die Kreativität fördern möchte und nach eigenem Verständnis ganz im Dienste der menschlichen Gesellschaft steht.

Mit dem Buch unternimmt Wember den durchaus erfolgreichen Versuch, Steiners Gedankengebäude in wohlstrukturierter und systematischer Weise darzustellen und dabei auch den historischen Kontext der Waldorfschulbewegung der letzten 100 Jahre einzubeziehen. Dabei geht Wember differenziert vor. Wie der Titel schon besagt, ist die Waldorfpädagogik in fünf „Dimensionen“ einteilbar:

Die erste, nach außen gerichtete Dimension besteht aus den zwölf hinlänglich bekannten „Settings“ von 1919. Die „Big 12“ der Waldorfpädagogik umfassen unter anderem das Klassenlehrer- und das Epochenprinzip, das Bewegungsfach Eurythmie, Fremdsprachen ab der ersten Klasse, Elternarbeit und die Nichtexistenz des Sitzen­bleibens. Die zweite Dimension geht schon tiefer und behandelt die methodischen Mittel der Waldorfpädagogik, die sich Pädagogen über Jahre im Akt der Selbsterziehung aneignen müssen. Bei der dritten Dimension handelt es sich um sieben Leitlinien von Steiners „Erziehungskunst“, die eine radikale Abkehr vom bisherigen Bildungssystem bedeuteten. Die Menschenkunde, das heißt der Blick auf die körperliche und seelische Entwicklung des Kindes, steht hier im Mittelpunkt, die Unterrichtsinhalte dagegen bilden nur einen Punkt von sieben. Die vierte Dimension zeigt die esoterische Seite der Waldorfpädagogik auf und bildet das Bindeglied zur Anthroposophie. Die fünfte Dimension schließlich thematisiert die Disponierung des Lehrers, der den „Enthusiasmus des Herzens“ verspüren sollte.

Was für Außenstehende abgehoben daherkommen mag, stellt sich bei einer näheren Betrachtung, die Wember hier in überzeugender Weise unternimmt, als ein durchaus in sich stimmiges Konzept dar, das letztlich gut in der Realität verankert ist. Er zeigt auf, wie sich in den letzten 100 Jahren aufgrund gesellschaftlicher und politischer Einflüsse an den Waldorfschulen wesentliche Schwerpunktverschiebungen in Bezug auf die Dimensionen ergeben haben. Das Buch schließt mit der Gegenwart und möglichen Zukunftsperspektiven. Eine anregende und undogmatische Lektüre eines Insiders, die nicht nur erhellend für interessierte „Laien“ ist, sondern auch Pädagogen Bedenkenswertes mit auf den Weg gibt. Fabian Sulzer

Valentin Wember: „Die fünf Dimensionen der Waldorfpädagogik im Werk Rudolf Steiners“. Nomos (Sinzheim), 2. überarbeitete Auflage 2016, 321 S., 25 €

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