Sinnenfreude und Erfahrung

vermischtes Die taz schrieb über eine Ausnahmearchitektin, einen Selbst­versuch in Sparsamkeit und Erasmusstudis. taz-LeserInnen kommentieren

„Unbaubare Idee“ der Architektin Zaha Hadid in Cincinatti, Ohio Foto: reuters

Welch ein Verlust

betr.: „Frau, Araberin, Architektin“, taz vom 2. 4. 16

Das Herz einer bisher einmaligen Architektin weltweit (Zaha Hadid) hat viel zu schnell und zu früh aufgehört zu schlagen! Welch ein Verlust für die Architektur und viel mehr noch für alle Architektinnen.

Hadid gehört zu den herausragenden Frauen, die es durch eigene hohe Begabung, durch hartnäckigen Einsatz und durch „materialsprengende“, in die Zukunft weisende „unbaubare“ Ideen geschafft haben, in bisher ausschließlich von Männern dominierten Terrains Fuß zu fassen. Der als korrekter Auftragsnachruf verfasste Beitrag in der Wochenendausgabe der taz macht deutlich, dass hier die Redaktion der taz gefordert ist, nur von solchen Mitarbeitern den Nachruf ausrichten zu lassen, die einigermaßen diesen Frauen – und hier der bisher einzigen Frau, die es geschafft hat in den absolut von Männern dominierten Olymp der Architektur – das Wasser reichen können. Die Ahnungslosigkeit, Uninformiertheit und Uneingefühltheit in solche „Männer-Areale“ machen den Nachruf zur Beleidigung.

Dass Tokio nicht nur wegen des zu hohen Kostenfaktors den Entwurf von Hadid abgelehnt hat, weiß die Verfasserin – woher nur? – viel besser: nämlich wegen ihrer Exzentrik! Bei allen Männern, ob Künstler, Schauspieler oder Modezaren, wird regelrecht von nahezu allen Frauen eine gewisse „Exzentrik“ geradezu gefordert (Lagerfeld ist ohne seinen weiblichen Schwarm gar nicht vorstellbar!).

Gerade ihre oft subversive Formensprache hatte in Ländern autoritärer Strukturen die Wirkung, dass vor einem von Hadid realisierten Bauwerk jede auch nur annähernd militärische Formation zur „Hampelmannvorführung“ geraten muss!

Ich habe das große Vergnügen, jeden Tag mit meinem Fahrrad an einem der letzten realisierten Objekte von Zaha Hadid, der neuen Messehalle in Nürnberg, vorbeizufahren! Gerade im Kontrast zu den unmittelbar in der Nachbarschaft stehenden Hitler-Monumentalbauten beeindruckt die fließende Formenrealisation der Halle mit einer geradezu suggestiven Performativität, das heißt: wie ein befreiender Auftritt mit entsprechender Wirkung!

ALFRED SEITZ, Nürnberg

Das Highlight

betr.: „Die zwei Europas“, taz vom 2. 4. 16

Diese von der Antike an handelnde Betrachtung ist das Highlight der Wochenendausgabe. Sie präsentiert das Spannungsfeld von dem, was sein könnte, und dem, was ist.

Das Erasmusprogramm, basierend auf unserem Wohlergehen, vergammelt zu einem internationalen Feierfreisemester. Zusammenkommen allein genügt nicht, in Seminaren müssten Vorstellungen zum europäischen Gesellschaftssystem erarbeitet werden, Ergebnisprotokolle inbegriffen. Eine Betriebswirtin stellt das Zeusprinzip (sich aneignen, was man möchte) zur Diskussion und damit unser industrielles Wirtschaftssystem. Das funktioniert bekanntlich immer schlechter. Das zeigt nicht nur die zunehmende Prekarisierung, sondern durch die Kapitalakkumulation erlahmen „Europas“ Lebendigkeit der ehemals vielen/multiplen, miteinander wetteifernden Identitäten/Persönlichkeiten. Das Erasmusprogramm für wache Studenten sollte die Fragen beantworten helfen, wie die Vielfalt Europas erhalten werden kann und den globalen Herausforderungen durch die nationalen Großblöcke Brasilien, China, Russland, USA zu begegnen ist.

KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Guter Artikel

betr.: „Die zwei Europas“,taz vom 2. 4. 16

Endlich mal wieder ein guter Artikel in der taz: kompetent, analytisch, interdisziplinär (Politik, Ökonomie, Psychoanalyse); dabei in der Sache konsequent parteiisch aber gleichwohl undogmatisch!

REINHARD HOFFMANN, Berlin

Eine Chance

betr.: „365 Tage Sparsamkeit“,taz vom 2. 4. 16

Lieber Herr Mausshardt!

Zunächst möchte ich Ihnen für Ihre entblößende Offenheit danken, sicher hat Sie der eine oder andere gefragt, wie man/n denn so blöd sein kann. Schwamm drüber.

Ihre Steueraffäre ist eine Chance – wie Sie schon sehr richtig vermutet haben. Denn: Sie beglücken nun ungewollt liebe Menschen mit Ihrer Gegenwart (Mutter); Sie tun etwas für die Umwelt (Fahrrad); Sie haben Kontakt zum Volke (Aldi-Einkäufe); Sie haben realitätsnahe Entscheidungen getroffen (finanzielle Rücklagen).

Neue Sinnenfreuden und Erfahrungen erwarten Sie (selbst Kochen). Seltene Kneipenbesuche werden intensiver wahrgenommen. Alles in allem also eine wunderbare Entwicklung. Ihr Leben wird nun reicher, denn Sie haben gerade noch die Kurve gekriegt.

Ich bleibe über Ihre Kolumne bei Ihnen und bin gespannt. Ich wünsche Ihnen Standhaftigkeit und einen offenen Verstand.

Das Leben ist schön!

Herzliche Grüße

SIBYLLA NACHBAUER, Erlangen

Besonderes Ritual

betr.: „365 Tage Sparsamkeit“,taz vom 2. 5. 16

Lieber Philipp Mausshardt!

Den Artikel habe ich mit der ganzen Bandbreite von Emotionen gelesen. Über interessiert, nachvollziehbar, witzig, originell, naiv, dumm, verärgert bis nun reicht’s.

Mir ist schon bewusst, dass ich, eine Leserin, die ihre Finanzen „im Griff“ hat, von dir eher müde belächelt werde. Aus Gesprächen und Diskussionen im Freundes- und Bekanntenkreis weiß ich, dass eine korrekte und pünktlich eingereichte Steuererklärung einfach nur als spießig angesehen wird.

Es scheint für einige Freiberufliche und Selbstständige ein besonderes Ritual zu sein, so spät und unvollständig wie nur möglich seine Steuern zu erklären und in jeder Gesprächsrunde, wo das Thema Steuern angesprochen wird, sich damit zu brüsten, dass ein Freiberuflicher so seine Freiheiten in der Steuererklärung sieht, wo die Angestellten durch den sofortigen Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers gebeutelt sind.

Es stimmt, dass die Steuergesetze kompliziert sind. Aber Arbeitnehmer und die meisten Gastwirte und Taxifahrer wissen, dass Einkünfte, die über dem Steuergrundfreibetrag (ca. 8.500 Euro pro Person) liegen, versteuert werden müssen.

Mir scheint, dass du (und auch viele andere Steuerpflichtige) hoffen/glauben, durch das „Raster des Finanzamts“ hindurchzurutschen. Warum eigentlich? Ich verstehe Solidarität so, dass jeder seinen Part für unsere Gesellschaft beisteuern sollte. Ist es dir mal in den Sinn gekommen, dass dein Umgang mit der Erklärung/Zahlung der Einkommensteuer kaum besser ist als die „legalen“ Tricks der Steuerverschleppung/Steuervermeidung der sogenannten Reichen?

Ich frage mich, ob ich wirklich jeden Monat lesen will, wie es weitergeht. Nach 365 Tage fällt dir womöglich noch ein, dass ein Freiberuflicher ja nichts in die Rentenversicherung einzahlt und du nicht nur für 365 Tage, sondern auch ab Rentenalter auf Hartz-IV-Niveau leben musst.

Liebe Grüße

INGE FRIEDRICHSEN, Flensburg