dvdesk: Eine Geschichte vom Mann, der alles hat
„Eureka“ (GB/USA 1983, Regie: Nicolas Roeg)
„Eureka“ erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen sehnlichster Wunsch sich erfüllt – aber sein Leben wird dadurch zerstört. Gold sucht er, nach Gold sehnt er sich, Gold findet er dem Tode nah in Schnee und Eis in riesiger Menge. Gold regnet, Gold fließt, Gold flittert in der Luft, in Gold getaucht sind Haut, Haar und Mantel. Jack McCann (Gene Hackman) wird ein Mann von Gold und Nicolas Roeg ist kein Regisseur, der für Subtilitäten zuständig wäre. Das Zuviel ist sein Metier, an hysterischen Figuren und hysterischen Schnitten hysterisieren sich seine Filme. Der Wahnwitz des Goldsuchers, der Irrsinn des Goldes, die Figur des Jack McCann, all das kommt ihm recht.
Zeitsprung, wir sind im Zweiten Weltkrieg, der sehr unerwartet in den Film immer wieder hereinbricht. Wie überhaupt das Hereinbrechen, der Einfall, das Ausbrechen, das Abweichen im brutalen Schnitt hier wie in allen Filmen von Roeg die Geschichte, die erzählt wird, aus- und unterhöhlen, porös machen, öffnen für Bilder, die ganz woanders herkommen, ganz woanders hinwollen, ganz andere, womöglich kosmische sind. Zoom auf den Mond, nur zum Beispiel, immer wieder, als eine Art Gottheit, die zwischendurch, aber mit schöner Regelmäßigkeit angebetet wird.
Weil der Film einem (sehr unbekannten) Roman folgt, hat er sehr wohl eine Handlung, sie ist sogar recht kompliziert. Um nicht zu sagen verwirrend. Es kann einem so vorkommen, als wäre das Drehbuch – von Paul Mayersberg, der auch die Bücher zu Roegs Bowie-Filmen „Der Mann, der vom Himmel fiel“ und „Merry Christmas, Mr. Lawrence“ schrieb – eine Art Extrakt des Romans; stark auf einzelne, intensive Szenen konzentriert. Der Zusammenhang ist ersetzt durch die Montage, die die Bilder anders als nach Kausalität und Folge verbindet. Man kommt nicht immer mit. Aber es kommt auch auf anderes an.
McCann, das steht fest, hat vom Gold sein Xanadu errichtet, das er Eureka nennt: eine ganze karibische Insel, ein riesiges Anwesen, Angestellte sonder Zahl, eine Jacht. Er hat alles, schöne Frau, noch schönere Tochter, Zigarren und Luxus und ein bunter Papagei nickt dazu. Und das alles ist doch beinahe nichts, weil ihn nichts davon glücklich macht. Dazu nähert sich noch das Unglück von mehreren Seiten. Die Tochter ist in die Hände eines zynischen Playboys mit dem großartigen Namen Claude Maillot van Horn gefallen (vom heute leider im Direct-to-Video-Schlock versackten Rutger Hauer mehr als hinreichend schmierig gespielt).
Zum Affront kommt es, als van Horn beim abendlichen Diner ein großes Goldstück verschluckt, mit dem Versprechen, es McCann zurückzuerstatten, sobald es das Tageslicht wiedererblickt. McCann verstößt Schwiegersohn und Tochter. Illuster besetzte Nebenfiguren sitzen und stehen im Film auch herum, von Mickey Rourke, so jung und schön, wie er dann bald nicht mehr war, bis Joe Pesci, wie aus den Mafiafilmen, aus denen man ihn kennt, rübergebeamt. Alle wollen etwas von McCann. Er will es nicht geben.
McCann wird ermordet; abgefackelt; der Kopf wird ihm abgehackt. Den küsst, schwarz, schartig, unerkennbar, wie er nun ist, im Leichenschauhaus Tracy, die Tochter. Es kommt zum Prozess, der Schwiegersohn ist verdächtig. Großer hysterischer Auftritt von Theresa Russell (als Tracy). Hier wie überhaupt ist „Eureka“ ein Film, dessen Sehnsucht dem klassischen Hollywood-Melodram gilt; ein Modell, das er in seinem manierierten Übereifer aber immerzu übertrifft und zugleich verfehlt. Das britische „Masters of Cinema“-Label hat ihn jetzt trotzdem oder ebendeshalb in seinen Pantheon der Cinephilie aufgenommen. Das ist sehr schön so, egal ob „Eureka” nun eher spinnert oder doch ein Meisterwerk ist. Ekkehard Knörer
Die Masters-of-Cinema-Edition gibt es als Import aus Großbritannien ab rund 20 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen