Frühlingsgefühle im Britzer Garten und Konzertmarathon im Urban Spree
: Mit Dorau auf Tulpenpatrouille, ohne ihn langes Warten

Ausgehen und Rumstehen

von Thomas Mauch

Ja. Grünes Knospen, sein blaues Band. Es lässt sich nicht mehr leugnen: Frühling ist’s.

Und damit ist es auch wieder die Zeit nachzuschauen, ob da noch dieses Lied von dem damals sehr jugendlichen Andreas Dorau herumliegt. Mit der Schubkraft der Neuen Deutschen Welle trällerte er: „Tulpen und Narzissen sagen ‚Ja‘, sagen ‚Nein‘, sagen ‚Ja‘.“

Und dann sang Dorau: „Ich sitz hier im Keller und hab nur die Blumen, hab nur die Blumen“. Was doch gar nicht so wenig ist. Wobei man jetzt (Frühling!) vielleicht nicht unbedingt im Keller nach denen Ausschau halten sollte. Sondern draußen. Wo sie gerade blühen, die Tulpen, und am prachtvollsten machen sie das in der Neuköllner Go-Area Britzer Garten, mit einem unglaublichen Farbenrausch, als psychedelische Erfahrung ohne weitere Hilfsmittel, mit einem einfachen Tulpengucken bei der Tulipan-Schau.

Wobei das jetzt aus der Erinnerung geschrieben ist. Denn am Wochenende waren im Britzer Garten beim Kontrollgang zwar, auch hübsch, die nett ins Grün gesprenkelten Gänseblümchen zu sehen. Die Tulpen dort aber warten mit der Blüte noch auf ihren diesjährigen Tulipan-Einsatz.

Echte Geduldsprobe

Überhaupt Warten. Eine Geduldsprobe. Am Samstagabend musste man sich ihr im Urban Spree auf dem ausgehvergnügten RAW-Gelände stellen. Zeit genug wurde einem dabei gegönnt, um mal ausgiebig über diesen komischen Satz nachzudenken, der ja weiterhin so ein Feiermotto der Stadt ist: „Verschwende deine Jugend“. Was halt etwas seltsam schmeckt, wenn die allermeisten, die mit ins Urban Spree gekommen waren, bereits im postjugendlichen Alter feststeckten und so viel Zeit gar nicht mehr haben zum Verschwenden. Jedenfalls musste man halt nutzlos warten, mehrere lange Stunden vom angesetzten bis zum wirklichen Konzertbeginn, um dann 1.) mit Debmaster schlechtgelauntes elektronisch geschreddertes Gedudel und Geboller zu hören. Nicht wirklich uplifting war dann auch 2.) der Auftritt des japanischen Duos Group A, das bereits beim diesjährigen CTM-Festival zu sehen war. Ins Urban Spree kam es seltsam kostümiert mit einem auf die Köpfe geschnallten Fliegengitter und um die Körper gewickelte Klarsichtfolien. Gegeben wurde eine Schreiperformance mit Nervgeige, wahrscheinlich wurden Körperpolitiken verhandelt. Man konnte das durchaus als eine verschärfte Industrial-Version von Baccaras „Yes Sir, I Can Boogie“ sehen.

Also, ähem, interessant.

Als dann 3.) in der weit fortgeschrittenen Nacht mit Guido Möbius endlich der eigentliche Anlass der Veranstaltung – schließlich handelte es sich hier um die Feierlichkeiten zur Veröffentlichung seines neuen Albums „Batagur Baska“ – auf die Bühne kam, hatte sich ein größerer Teil des Publikums bereits ermattet nach anderswo verdrückt und wollte gar nicht mehr hören, wie Möbius mit seinen vielen elektronischen Klangmachern und Effektgeräten spielte für ein Ringelreihentanzen der Repetition. Er spielte auch ein wenig Gitarre (was er gern noch viel mehr machen dürfte). Sein neues Album aber spielte er nicht nach. Weil das ist was für den Hausgebrauch. Live interessiert ihn gerade so ein dekonstruierter Meta-Dance­floor mehr.

Am Sonntag machten dann der Frühling und die Sonne mal eine Pause. Konzentrierte Sofaphase und die Zeit, darüber nachzudenken, wieso bei dem jungen Dorau eigentlich die Tulpen im Keller wachsen.