Reinhard Wolff über die Folgen der Panama Papers für Island
: Piraten mit großem Auftrag

Islands Regierungschef hatte eigentlich genügend Zeit, anständig abzutreten. Drei Wochen lagen zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung des denkwürdigen Interviews, in dem Sigmundur Davíð Gunnlaugsson erst treuherzig behauptet, niemals etwas mit Steueroasen zu tun gehabt zu haben, um nach der Ankündigung, dann müsse man wohl über die Offshore-Gesellschaft „Wintris Inc“ reden, die Beherrschung zu verlieren und mit einem „ihr habt mich reingelegt“ aus dem Raum zu stürmen.

Doch statt schon mal die Koffer zu packen, glaubte er offenbar tatsächlich, den unvermeidlichen Proteststurm einfach aussitzen zu können. Von erstaunlicher Realitätsferne bei Politikern schützt wohl auch die Überschaubarkeit eines Landes wie Island – dessen Einwohnerzahl etwa jener Bielefelds entspricht – nicht.

Nein, die IsländerInnen mussten mal wieder die Kochtöpfe aus dem Küchenschrank holen und lärmend vor das Parlament ziehen, Gunnlaugsson sich vom Staatspräsidenten öffentlich bloßstellen und von Parteifreunden beknien lassen, nicht auch noch die Regierung zu kippen, bevor er sich zum Rücktritt bereit erklärte. Und natürlich ist die jetzige „Lösung“ mit seinem Stellvertreter und der gleichen Koalition zum Scheitern verurteilt. Eher früher als später werden die demonstrationserprobten IsländerInnen ihren Willen bekommen – und es wird Neuwahlen geben.

Dann dürfte Island erneut internationaler Aufmerksamkeit sicher sein. Seit einem Jahr sind die woanders längst entschlafenen Piraten hier in den Umfragen stärkste Partei. Eine links-grüne Regierungskoalition mit einer Piratin an der Spitze zeichnet sich ab. Sie muss überlegen, mit welchen Maßnahmen sie den Ruf des Landes wieder verbessern will, das sich nach dem Crash von 2008 erstaunlich gut erholt hatte. Das aber nun mit einer politischen Kaste dasteht, die sich den Vergleich mit den politischen Eliten Russlands und der Ukraine gefallen lassen muss.

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