: Grenzenloser Hafen
HANDEL Nach 124 Jahren hat der Hamburger Freihafen ausgedient. Die kilometerlangen Zäune und Zollstationen verschwinden und am 1. Januar werden die Kontrolleure durch ein digitales System ersetzt
In diesen Zollfreigebieten werden keine Zölle und Einfuhrsteuern erhoben. Sie sind durch Grenzzäune mit Zollkontrollstellen vom Zollinland abgegrenzt.
■ Freihäfen dienen der Lagerung, Weiterverarbeitung und Veredelung der importierten Waren. Abgaben werden erst fällig, wenn sie in das Zollinland eingeführt werden.
■ Gegründet wurde der Freihafen in Hamburg, nachdem die Stadt 1881 mit dem sogenannten Zollanschluss ins Deutsche Kaiserreich integriert wurde. 1888 wurde der Freihafen dann rund um die neu errichtete Speicherstadt geschaffen.
■ Mit 7.200 Hektar umfasst der Hamburger Hafen etwa ein Zehntel der Gesamtfläche der Stadt. Zum Freihafen zählen davon 1.634 Hektar, also etwa 2,6 Prozent der Stadt.
Nach 124 Jahren wird er dichtgemacht. Oder besser: aufgemacht. Denn mit der Öffnung des Hamburger Freihafens entfallen Zollgrenzen, kilometerlange Zäune und Kontrollen. Ab dem 1. Januar wird direkt auf den Terminals digital verzollt. „Der Hafen wird schneller“, sagt der parteilose Wirtschaftssenator Frank Horch.
Bislang werden täglich bis zu 8.000 Kontrollen an elf Zollstellen vorgenommen. Sinnbildlich dafür sind die kilometerlangen Staus auf der Köhlbrandbrücke vor der bisherigen Zollstation Waltershof. Mit dem Wegfall der Zollstationen hätten nun die Pendler auf den rund 60 Straßen im Freihafen freie Fahrt auf dem Weg zur Arbeit, sagt Horch.
2003 wurde bereits die Speicherstadt aus dem Freihafengebiet herausgelöst, um den Bau der Hafencity zu ermöglichen. Und vor drei Jahren hatte der damalige schwarz-grüne Senat beschlossen, die Freizone zum 1. Januar 2013 gänzlich aufzuheben. Der Sonderstatus aus Zeiten, in denen Europa engmaschig von Zollgrenzen durchzogen wurde, hat sich überlebt. Denn Zölle spielen im internationalen Warenverkehr nur mehr eine untergeordnete Rolle. Und in Hamburg wird mittlerweile der größte Teil der Waren für den Weitertransport in andere EU-Länder umgeschlagen. Die Güter bleiben damit innerhalb des gemeinsamen Zollgebiets eine Gemeinschaftsware.
Der Freihafen geht zurück auf das Jahr 1881, in dem auf Druck von Otto von Bismarck Hamburg ins deutsche Zollgebiet eintreten musste. Nur ein kleines Areal wurde ausgenommen: der Freihafen mit der Speicherstadt im Zentrum. Für die Speicherstadt waren in den 1880er-Jahren die dichtbesiedelten Quartiere auf den Inseln Grasbrook, Wandrahm und Kehrwieder platt gemacht worden. Binnen zwei Jahren wurden etwa 1.000 Häuser abgerissen und rund 20.000 Menschen, zumeist ärmliche Hafenarbeiter, zwangsweise umgesiedelt. Gentrifizierung nach Kaufmannsart. Die neuen Arbeitersiedlungen lagen etwa in Barmbek und auf dem Dulsberg und sorgten für lange Arbeitswege. 1910 wurde der Freihafen nach Waltershof erweitert.
Die Aufhebung der Zollgrenzen im Hafen soll nun dem wirtschaftlichen Wachstum dienen. Und der Beschleunigung internationaler Logistikketten nach dem Vorbild des Containerterminals Altenwerder der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), der nie Teil des Freihafens war. Dort sind seit Betriebsaufnahme 2002 die Containerbrücken direkt mit dem Zoll verbunden. Sobald ein Container abgestellt wird, geht eine Meldung mit allen relevanten Daten digital an den Zoll. Binnen weniger Minuten erhält der Importeur seinen Steuerbescheid und die Freigabe für den Transport.
„Der Warenumschlag wird einfacher und schneller“, sagt Senator Horch. Das werde sich „positiv für den Standort auswirken“, ist sich auch Norman Zurke, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Hafen, sicher. Und die Präsidentin der Bundesfinanzdirektion Nord, Colette Hercher, will die Kontrollen „auf das absolut notwendige Maß“ beschränken. Das Ende des Freihafens heißt aber nicht, dass die gut 80 Zöllner im Hamburger Hafen arbeitslos werden. Sie sollen künftig nicht mehr die Lastwagen und ihre Fracht an Land kontrollieren, sondern einlaufende Schiffe auf dem Wasser unter die Lupe nehmen: Gesucht werden Drogen, Waffen und Flüchtlinge. SVEN-MICHAEL VEIT