: Kurzes Leben in der alten Schuhmetropole
Aussichten In Pirmasens in Rheinland-Pfalz sterben die Menschen durchschnittlich am frühesten. Wer dagegenin Starnberg am See in Bayern wohnt, also in einer wohlhabenden Gegend, kann bis zu acht Jahre Lebensdauer gewinnen
von Hannes Koch
Die Zahlen sind nicht neu, sie basieren unter anderem auf dem Gesundheitsbericht 2015 des Robert-Koch-Instituts und auf den Statistiken des Bundesinstituts für Stadt- und Raumforschung. Zimmermann hat sie ausgewertet und aufbereitet.
Auch bei den Männern ist Pirmasens Schlusslicht. Sie sterben dort nach durchschnittlich 73 Jahren. Im bayerischen Starnberg dagegen beträgt die Lebenserwartung der Männer 81,3 Jahre. Wie die Tabellen zeigen, existieren in Deutschland ganze Regionen mit geringerer Lebensdauer. Dazu gehören größere Gebiete in Sachsen-Anhalt und Brandenburg, Teile des Ruhrgebiets, des Saarlandes und Frankens. In Städten wie Münster und Stuttgart können die Menschen hingegen mit einem langen und vergleichsweise gesunden Leben rechnen.
Für Zimmermann ist die Interpretation klar. Sie führt die Unterschiede auf die sozialen Verhältnisse zurück. „Arme sterben früher“, sagt sie: „Sie leiden häufiger an chronischen, aber auch an psychischen Krankheiten wie Depressionen.“
Allerdings greift diese Erklärung – zumindest in ihrer Eindeutigkeit – zu kurz. Denn Pirmasens ist durchaus nicht das Armenhaus der Republik. Die Arbeitslosigkeit ist dort mit 13,4 Prozent (Februar 2016) zwar hoch, aber nicht am höchsten in Deutschland. Im sachsen-anhaltischen Landkreis Mansfeld-Südharz erreicht sie mit 14,2 Prozent einen höheren Wert. Trotzdem liegt die Lebenserwartung der Frauen dort um mehr als vier Jahre über der in Pirmasens.
Gleichwohl deutet die niedrige Lebenserwartung in der rheinland-pfälzischen Stadt auf besondere Probleme hin. Pirmasens war früher ein Zentrum der Schuhindustrie, die mittlerweile weitgehend verschwunden ist. Wegen des harten Strukturwandels ziehen viele junge Leute weg, die Älteren bleiben zurück. Durch diese demografische Entwicklung sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung.
Soziale Nachteile wie Armut und geringes Einkommen können eine große Rolle für die Lebenserwartung spielen. Das zeigen Untersuchungen beispielsweise des sozioökonomischen Panels beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach leben Menschen mit niedrigen Einkommen im Durchschnitt mehrere Jahre weniger als reiche Mitbürger.
Aber auch berufliche Belastungen können das Leben verkürzen. Wegen ihrer harten Arbeit unter Tage starben die Bergleute im Ruhrgebiet früher als der Durchschnitt der Bevölkerung – trotz ihrer vergleichsweise hohen Einkommen.
Um soziale Nachteile wenigstens etwas auszugleichen, fordert Zimmermann Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, „mehr Programme zur Gesundheitsprävention“ durchzuführen.
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