Kulturwandel in Neukölln

RATHAUS Berlins lautester Bürgermeister, Heinz Buschkowsky, kommt ins Rentenalter. Es folgt wohl eine Frau

Er hat das Bild von Neukölln geprägt wie kein anderer: Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Klein, rund, vorzugsweise brummelig, haut der Mann heraus, was er für die Wahrheit über seinen Bezirk hält: Dort sei Multikulti gescheitert. Und weil Neukölln überall ist, ist auch Multikulti überall gescheitert.

Doch auch wenn man geneigt ist, den Mann als Beleg für die Weisheit „je oller, je doller“ anzusehen – selbst vor Big B macht die Zeit nicht halt. Am 31. Juli 2013 feiert er seinen 65. Geburtstag und erreicht damit das Rentenalter. Er kann seine Amtszeit dann noch beenden – oder an einen Nachfolger übergeben. Heiß gehandelt wird dafür eine Frau: die derzeitige Schulstadträtin und Parteigenossin Buschkowskys, Franziska Giffey.

Damit stünde Neukölln ein ziemlicher Kulturwandel bevor. Wie Buschkowsky scheut sich auch Franziska Giffey nicht, das auszusprechen, was sie für die Probleme des Problembezirks hält: Vier von zehn Schulanfängern in Neukölln wollen nicht an Nordneuköllner Grundschulen, mehr als jeder zehnte der künftigen Erstklässler verlässt den Bezirk und wird anderswo eingeschult. Nur ein Drittel der Neuköllner Einwandererkinder schafft es aufs Gymnasium, bei denen deutscher Herkunft sind es fast 50 Prozent, heißt es in Giffeys jüngster Pressemitteilung.

Doch anders als Buschkowsky fehlt der Schulstadträtin dabei ganz das Apokalyptische, das mit den Schilderungen solcher Fakten immer einhergeht. Statt Untergangsszenarien zu entwerfen, erstellt die 34-jährige Politikwissenschaftlerin lieber Handlungspläne. Wo Buschkowsky roten Kopfes verbal draufhaut, hört Giffey lieber zu. Als sie vor zwei Jahren das Schulamt von ihrem Vorgänger Wolfgang Schimmang übernahm, Neuköllner Urgestein vom Buschkowsky-Kaliber, waren viele skeptisch. Doch die Blondine mit dem charmanten Lächeln hat gezeigt, dass sie knorrige, alte Männer ersetzen kann. ALKE WIERTH