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Eine Party für Gespenster

Kunst Der Bremerhavener Kunstverein zeigt Arbeiten der Künstlerin Franziska Kneidl. Und denen gelingt eine phantastisch-morbide Verbindung von Malerei und Skulptur

Keine Beine, keine Köpfe – und doch wirken die Folienfiguren auf schaurige Weise lebendig Foto: Kunstverein Bremerhaven

von Radek Krolczyk

Das Oszillieren zwischen den Gattungen der Kunst ist nur dann eine gute Sache, wenn die künstlerische Idee es verlangt. Crossover-Konzepte dagegen sind prinzipiell eher egal. Das Überschreiten und Verwischen von Grenzen gilt zwar seit jeher als radikal, ist aber oft nicht mehr als ein formalistischer Fetisch. Im Bremerhavener Kunstverein ist zurzeit die Ausstellung „Bounty“ der in Frankfurt lebenden Malerin Franziska Kneidl zu sehen. Und sie schafft tatsächlich eine phantastische Verbindung von Malerei und Skulptur. Diese ergibt sich nicht aus einem seltsamen, möglicherweise deplatzierten Wollen, sondern aus den materiellen Bedingungen: Sie malt auf zunächst auf planer Folie, die sie dann zu durchsichtigen Skulpturen knüllt.

Farbig bemalte, durchsichtige Folien unterschiedlicher Größen hängen über von der Decke baumelnde Ringe wie Handtücher, Kleidungsstücke, Gespenster oder Personen im Ausstellungsraum. Diese künstlerischen Grenzübertritte folgen einer gewissen Logik ihrer Materialien. So wirken diese gattungsübergreifenden Werke: Sie stellen Rätsel, sind morbide und unheimlich, aber auch unfreiwillig komisch. Und das alles, obwohl sie überhaupt nichts eindeutig Konkretes darstellen.

Bei aller Figuration ist man sich nicht sicher, inwiefern sie intendiert, inwiefern sie auf Missverständnissen beruht. Die 1967 in Bochum geborene und in Westberlin aufgewachsene Künstlerin ist vor allem für ihre abstrakten Acrylgemälde bekannt geworden. Im Gegensatz zu den Bremerhavener Malereiplastiken sind diese phasenweise völlig farblos in Grautönen gehalten. Der graue Farbauftrag, der hier und da an eine Kerze, einen Docht und jede Menge Rauch erinnert, wirkt so, als hätte man ihn mit der Rakel ins Vage, in Vorstellung oder Geschichte verwischt.

Solch eine Art Technik erinnert an die frühen fotografischen Bilder von Gerhard Richter. Da ihre Werke zwischen Abstraktion und Figuration schwanken, lassen sie vielleicht noch viel mehr an die Bilder von Achim Bertenburg denken.

Unheimlich ist die Art und Weise, in der die Farbe sich auf Kneidls Leinwänden ausbreitet, weil man sich nicht sicher sein kann, was sie darstellt oder bedeutet – schon gar nicht, nach welchen Regeln sie es tut. Sie wirkt, als kontrolliere sie sich selbst, wie ein wie auch immer geartetes organisches Etwas. Das trifft selbst auf die farbigen Bilder zu, auf denen sich riesige rote, blaue oder gelbe Flecken ausbreiten, als wären sie Blüten oder Tintenflecken – möglicherweise aber auch Insektenfraß oder seltsamer Schimmel.

Die Folienfiguren, die momentan in Bremerhaven zu sehen sind, schließen hier ganz direkt an. Die mit ihren aufgemalten farbigen Schlieren versehenen Folien hängen gerafft, gebunden und drapiert im Ausstellungsraum verteilt. Sie haben durchaus etwas Barockes, wirken wie ausladende Kleider. Die Galerie wird so zum Ballsaal.

Unheimlich ist dieArt und Weise, in der die Farbe sich auf Franziska Kneidls Leinwänden wie organisch ausbreitet

Natürlich aber erinnern die Farbfoliengebilde nur an Menschen in festlichen Gewändern, sie gehen nicht darin auf und sind nicht bis zum Letzten ausformuliert. Wo man Arme zu erkennen meint, fehlt dann doch ein Kopf. Beine findet man nirgendwo. Alle Figuren schweben über dem Boden. Die Körper sind durchscheinend. Der Farbauftrag mischt sich beim Anblick.

Der Farbeindruck ist abhängig von der Perspektive. Er scheint keinerlei eigene Substanz zu haben. Man kommt sich vor, wie auf einer Party für Gespenster. Die Gäste kommen ganz ohne Musik, Getränke und Buffet zurecht. Eine der fragilen Gestalten ist so tief am Boden und so nah an einem Treppenaufgang gehängt, dass sie von dem beim Passieren erzeugten Luftzug in Bewegung gerät und gelegentlich den Besucher streift.

Wo man im Ausstellungskontext das Kunstwerk nicht berühren soll, wird man nun selbst vom Kunstwerk berührt. Eine vier Meter große Folienplastik soll an die weibliche Galionsfigur der „Bounty“ erinnern – ein britischer Dreimaster, der um 1800 herum in die Südsee aufgebrochen war und durch eine Meuterei berühmt wurde. So findet die Ausstellung auch noch den obligatorischen maritimen Bezug, den die Ausstellungen des Bremerhavener Kunstvereins stets mit sich führen.

Ausstellung bis zum 10. April, Kunstverein Bremerhaven

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