DemütigungAndreas Mand erzählt von einem ehemals viel gelobten Autor: "Der zweite Garten"
: Alles an diesem Leben hätte ich fassungslos angestaunt

Der Schriftsteller Andreas Mand, Jahrgang 1959, veröffentlichte 1982, also mit 23, sein erstes Buch „Haut ab – Ein Schulaufsatz“. Zwölf weitere Romane meist autobiografischer Natur sollten folgen. Die Bücher wurden gut besprochen, verkauften sich aber schlecht. Nachdem er Stadtschreiber in Minden war, blieb er in der Stadt hängen. Neun Jahre vergingen zwischen seinem letzten – „Paul und die Beatmaschine“ – und seinem aktuellen „Roman“ „Der zweite Garten“, der von dem Problem handelt, „ein 51-jähriger Mann in einer doofen, kleinen Stadt zu sein“, wie er selbstironisch schreibt.

Man möchte gleich antworten, sicher gibt es einige, die es doof finden, 51 zu sein und in einer mittleren Kleinstadt zu wohnen. Das Buch, ein tagebuchartiger Roman, teils in der ersten, teils in der dritten Person erzählt, spielt zwischen Herbst 2010 und Sommer 2011. Der Held ist ein ehedem viel gelobter Autor, der sein Schreiben zurückstellt, um sich als Hausmann um die zwei Söhne und den Garten zu kümmern. Die Frau ist Lehrerin.

Die Familie lebt in einem Häuschen aus den dreißiger Jahren mit Blick auf den Fluss und auf OBI, in der Nähe der Bundesstraße. Sie sind ein bisschen linksalternativ, der Vater war früher mal Hausbesetzer und wäre, wie der Autor, gerne Singer-Songwriter geworden. Die Hierarchien sind flach, die Söhne Freunde, das Geld ist knapp, das Haus muss noch abbezahlt werden. Die kleinen Dinge des Alltags werden verwaltet; der Hausmann findet seine Arbeit unterbewertet; der Sohn nimmt an einer Antiatomveranstaltung statt; dem Vater kommt die Veranstaltung traurig vor wie eine Kopie der Antiatomveranstaltungen, an denen er einst teilgenommen hatte. Der Vater nimmt am mittelstädtischen Kulturleben teil, kauft im Bio-Markt ein, manchmal versucht er, sich seiner Frau zu nähern. Es gibt Ehestreitigkeiten, erotische Träume.

Erzählt wird von den kleinen Demütigungen, die man als 51-jähriger „Ex-Autor“ erleidet. Wenn man auf Sofas von Verwandten oder Bekannten übernachtet, die man mit dem Regionalzug besucht. Das spektakulärste Ereignis handelt von der Armbanduhr einer Mitschülerin des Sohnes, die kaputtging infolge des rauen Verhaltens der Mitschüler, und es geht um die Reaktionen der Eltern und wie man versucht, den Schaden wiedergutzumachen, und um Verfahrensfragen.

Aus der Sicht des Jugendlichen, der der Autor einmal war, wäre ihm „so ein Leben fremd erschienen. Ich hätte es fassungslos angestaunt, alles daran, glaube ich.“ Aber eigentlich fühlt er sich in diesem Leben ganz wohl.

Anfangs war mir das Buch wahnsinnig langweilig vorgekommen; später genoss ich die unspektakuläre Gemächlichkeit des zweiten Gartens. Der erste Garten war der, von dem Joni Mitchell in ihrem „Woodstock“-Lied gesungen hatte.

Detlef Kuhlbrodt

Andreas Mand: „Der zweite Garten“. Maro Verlag, Augsburg, 366 Seiten, 20 Euro