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„Allein rausgehen, war nicht der Fall“

Friesenhof Ein leitender Pädagoge verteidigt im Untersuchungsausschuss die restriktiven Einschränkungen für Bewohnerinnen des geschlossenen Heims. Die durften ihre Schuhe nicht behalten, dafür aber Schlappen

von Kaija Kutter

Ob es stimme, dass den Mädchen nach ihrer Ankunft im Friesenhof-Heim die Schuhe weggenommen wurden, wollte die FDP-Abgeordnete Anita Klahn wissen. „Das war hin und wieder so“, antwortete der Zeuge. Ob es stimmt, dass die Mädchen barfuß waren. Nein. „Jedes Mädchen hatte Hausschuhe.“

Plastische Einblicke in den Alltag der früheren Friesenhof-Heime: Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Friesenhof hat am Montagabend der 49-jährige Ex-Soldat P. ausgesagt. Für jede Einschränkung, die die Mädchen erdulden mussten, fand P., der 2006 als Laie in den Betrieb eintrat und nebenberuflich bis 2009 eine Ausbildung zum kirchlichen Erzieher absolvierte, eine Begründung.

Ob die Mädchen persönliche Dinge wie Fotos im Zimmer haben durften, fragte die PUA-Vorsitzende Barbara Ostmeier (CDU). Die Mädchen könnten aus Wut Sachen zerreißen, antwortete P. „Wir haben ihnen geraten, uns das anzuvertrauen.“ Die Einrichtung sei spärlich gewesen. Statt Kiefernmöbel gab es Bundeswehr-Spinde.

Rückzugsmöglichkeiten habe es nicht geben: „Dass es nicht die Möglichkeit einer eigenen Freizeitgestaltung gab, war den Mädchen klar. Angebote wurden durch uns gemacht. Allein tagsüber rausgehen, war nicht der Fall.“ Das hätten die Mädchen akzeptiert, sagte P., der seit 2009 der „pädagogische Koordinator“ für die zehn Friesenhof-Einrichtungen war.

Gleichwohl ließen die Betreuer anfangs keine unkontrollierten Telefonate mit dem Jugendamt zu. Denn die Mädchen hätten „bei der Ankunft rebelliert“ – später aber angeblich nicht mehr weg gewollt. Manchmal seien die Betreuer vom Amt gebeten worden, über Lautsprecher mitzuhören, sagte P. „Wenn die Mädchen beleidigend wurden, waren wir gebeten, das zu unterbinden.“ Ganz selten habe man den Telefonhörer auf die Gabel legen müssen.

P. spielt eine zentrale Rolle in der Friesenhof-Causa: Er betrieb die „Akquise“, hielt Kontakt zu Jugendämtern, die Heimplätze suchen. Er sei auch für die Neuaufnahme und die Abholung der Mädchen zuständig gewesen. Er war zeitweise Teil der Geschäftsleitung und bei Einstellungsgesprächen dabei. Das Heim hatte Mühe, Fachkräfte zu finden, die mit ihrem pädagogischen Konzept arbeiten wollen. Genau wie P. selbst, waren viele der Beschäftigten ungelernt.

Er war auch im Frühjahr 2007 dabei, als Kollegen eine Fortbildung beim Berufsförderungswerk in Kiel zum Anti-Gewalt-Trainer (AGT) nach dem „Hamelner Modell“ gemacht haben. Das ist eine sehr umstrittene Strömung in der Pädagogik, weil die Teilnehmer psychisch an ihre Grenzen gebracht werden. Gerade für traumatisierte Jugendliche gilt diese Therapie als ungeeignet.

Später sei so ein Kurs auch mit Bewohnerinnen und Mitarbeitern durchgeführt worden. Auf die Frage, ob es stimme, dass die Mädchen dort von Gewalterlebnissen ihre Kindheit berichten mussten, sagte der Zeuge: „Niemand muss etwas äußern.“

Der Kursleiter, der in Kiel die Ausbildung durchgeführt hatte, hat laut dem Zeugen von 2007 bis 2008 die pädagogische Leitung des Friesenhofs übernommen. Dieser Fakt wurde bei der PUA-Sitzung erstmals bekannt. Der Einfluss dieser pädagogischen Strömung auf das Heim war somit groß.

Einen Ort für sich hatten die Mädchen in den Friesenhof-Heimen nicht

Laut Aussage von P. erhielt besagter Kursleiter von der Friesenhof-Inhaberin Barbara Janssen sogar das Angebot, die Firma zu übernehmen. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen sollte P. den Betrieb kaufen. Die Betreiberin sei 2010 mit dem Vorschlag auf ihn zugekommen. Doch auch dazu kam es nicht – wegen „kommunikativer Probleme“.

Die Suche nach einem Leiter ging weiter: Im November 2013 habe ihn Inhaberin Janssen zu einem Essen mit dem Ex-Boxer Lothar Kannenberg eingeladen. Der betreibt ein umstrittenes Erziehungscamp in Kassel. „Es hieß, Herr Kannenberg wird die Geschäftsführung der Mädchencamps übernehmen“, berichtet P. Er habe das gut gefunden und vorgeschlagen, dass Kannenberg erst das Haus kennenlerne. Deshalb seien er und zwei seiner Mitarbeiter eine Weile „vor Ort“ gewesen.

P. verließ den Friesenhof 2014 im Streit: Er sei ohne sein Wissen als Geschäftsführer im Handelsregister stehengeblieben. Mit ihm ging ein halbes Dutzend weiterer Mitarbeiter.

Die Vernehmung von Kannenberg fiel am Montag aus. In den nächsten Wochen werden weitere Mitarbeiter, ehemalige Bewohnerinnen und Heimleiterin Janssen aussagen.

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