: Wir, der Diskursadel
Pudelgängerinnen Ohne sie wäre die Hamburger Schule nichts
Lass mal noch in den Pudel gehen. Puh. Okay, eins noch. Treppe runter, für den Hafen haben wir keine Augen. Elbphilharmonie? So was gibt’s nur in Gotham City. Paar Stufen runter, paar Stufen wieder rauf. Kein Eintritt, super. Ganz schön voll. Hallo. Hallo. Hey. Alle Welt ist da. Und Haare gehören oben auf den Kopf, wohin denn sonst. Schorsch oder Rocko oder Daniel kommen hier nur als Gerücht vor, Jochen sowieso. Wenn doch einer da ist, kräht er manchmal herum.
Es gibt auch Gespräche. Partykiller wie „Kommerz“ kommen nicht drin vor. Refugees sind noch lange kein Begriff. Die Preise hier finden wir gut, und dass hinterm knapp zwei Meter langen Tresen fünf Leute sitzen auch. Die sind so gut angezogen. Wie wir. Gib mal noch drei Sekt auf Eis. Wir rauchen uns die Puste weg und zählen, wie oft wer wen grüßt. Das ist nicht allzu häufig.
Bussis? Igitt, wir sind doch nicht in München. Bis einer Mädchen sagt statt Frau. Da fliehen wir, ganz Pussy, schnell ins Gewoge weiter hinten, rechts vom DJ-Podest, hinter der Wand, von der noch niemand weiß, dass sie einmal weg sein wird. Werfen, wieder im Pulk mit Männern, die Arme in die Luft, bewegen uns auch sonst viel und blitzen uns an. Wir brüllen uns Dinge ins Ohr, alle von Gewicht, schließlich sind wir Diskursadel. Ohne uns wäre die Hamburger Schule nichts.
Wir kennen uns aus mit Musik (Hip-Hop das große Ding), Kunst, Plattencovern, Kino und Politik, mit Literatur ein bisschen, auf jeden Fall mit Rainald Goetz, unter uns viele, die selbst etwas machen oder wollen. Wir wissen genau Bescheid mit dem Fall der Mauer und seinen Folgen („Berlin? Die fünf neuen Länder? Die Hölle!“), sonst haben wir Zweifel an vielem.
Eine große Zukunft steht uns nicht bevor, aber daran haben wir eh die größten Zweifel. Jemand holt noch Gin Tonic. Wir teilen alles, bewundern uns vorbehaltlos. Eine Wasserflasche macht die Runde. Aufs Klo gehen wir gemeinsam und hauen uns Zeug rein. Das geht lange so. Sehr, sehr lange. Einer fällt vom Barhocker, einer nicht. Bis wir uns wach und müde trollen. Manche allein, manche zu zweit. Manche, ohne an so was zu denken. Morgen vielleicht wieder hier, nächste Woche, aber das wissen wir jetzt noch nicht. Zeit ist nicht für uns. Nee.
Christiane Müller-Lobeck kam 1989 nach Hamburg und fühlt sich nicht ganz unschuldig an der Einführung der Bussi-Kultur
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