: Wo uncool sein cool war
REggae Ein Sommernachmittag vorm Pudel konnte unerhört lässig sein
Es war in der Zeit, als Linkssein noch ein angesagter Lifestyle war. Fast alle linken Männer sammelten wie verrückt Schallplatten, aus Vinyl natürlich, und genossen die Gelegenheit, das gelegentlich vor Publikum zeigen zu können. Viele hatten gerade die Kurve vom Schrummelpunk zu Schwarzer Musik gekriegt, waren immer auf der Suche nach dem Emanzipativen im HipHop, fanden aber auch den einen oder anderen Gangsta – mindestens heimlich – ziemlich cool. Manche fingen an, sich für Techno zu begeistern. Da wurde es mit dem Emanzipativen noch ein bisschen schwieriger, aber immerhin konnte man sich der musikalischen Avantgarde zurechnen.
An diesem warmen Sommernachmittag saßen alle draußen vor dem Pudel, tranken billiges Bier oder schleckten Eis und blickten auf das Dock von Blohm + Voss, auf dem noch keine Werbung war, sondern irgendeine politische Parole.
An einem einzigen alten Plattenspieler saß Kai-Walter Borowietz, den viele beneideten, weil er in richtigen Clubs als DJ arbeitete. Er legte eine Reggae-Platte auf. Dann steckte er sie behutsam wieder in die Hülle zurück und holte die nächste raus. Währenddessen sprach er in sein Mikrofon: „Und jetzt noch ein Lied aus dem wunderschönen Land Jamaika.“ Bald wurde klar, dass er nur Lieder aus diesem wunderschönen Land spielen wollte. Und dass Coolness gar nicht das allerwichtigste war. Aber vielleicht war Uncool auch nur das neue Cool.
Jan Kahlcke war schon ewig nicht mehr im Pudel Club, aber zugegebenermaßen ein paar Mal im Oberstübchen
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