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Ein Meister der Widersprüche

Kunst Die Städtische Galerie zeigt Arbeiten des im vergangenen Herbst verstorbenen Künstlers Robert van de Laar – was doch weit mehr als eine bloße Retrospektive ist

Ein herrliches Problem für zwangsläufig scheiternde Übersetzer: Ein Mal (oder damals) steigt (oder stieg) der Nebel   Foto: Städtische Galerie Bremen

von Jan-Paul Koopmann

Als der Bremer Künstler Robert van de Laar im vergangenen Jahr nach kurzer und schwerer Krankheit starb, da war seine Einzelausstellung „unverzüglich zuwarten“ in der Städtischen Galerie längst in der Mache. Fertiggestellt wurde sie dann ohne ihn. Und auch, wenn es wohl Quatsch wäre, irgendwelche Todesahnungen in van de Laars Kunst hineinzudeuteln, ist es heute doch kaum möglich, die Installationen, Bild- und Videoarbeiten losgelöst vom Sterben zu betrachten.

Da sind diese schwer zu fassenden Schwebezustände, die sich durch van de Laars Werk ziehen, deren zweifellos beeindruckende Wirkung sich nicht so recht in Bedeutung übersetzen lassen will. Die Installation „once“ etwa besteht aus zwei Glaskästen: Im einen ragt ein Berg aus Gips auf, der mit drei abwechselnden Filmsequenzen bespielt wird, im anderen leuchtet bläulich das Wort „once“. Nebel steigt auf und senkt sich wieder.

Die Beziehung zwischen beiden Kästen besteht, abgesehen vom physischen Schlauch für den Nebel, in dem Wort, das sich offenbar auf ein Geschehen bezieht. Aber was heißt es: ein Mal oder damals? Und während man noch versucht, einen Zeitpunkt, einen Film, einen Nebelzyklus herauszupicken und greifbar zu machen – da kommt bereits der nächste und überdeckt die Erinnerung.

Der Tod aber tritt noch konkreter in Erscheinung als in dieser Arbeit zu einem unbestimmbar einmaligen Früher. Ein ausgestopfter Fuchs sitzt auf dem Boden der Galerie, seine Glasaugen scheinbar skeptisch auf einen daneben ausgebreiteten Pelzmantel gerichtet. Die Beziehung zwischen beiden Objekten ist, mit Kurator Ingmar Lähnemanns Worten, „ebenso logisch wie unsinnig“.

Man kann sich das schon irgendwie hinsortieren, klar: Hier der lebensecht hergerichtete Kadaver, dort der Mantel als toter Gegenstand für tatsächlichen Gebrauch – zum Beispiel. Doch nähert man sich dem Arrangement, beginnt nicht das lebendig scheinende Tier, sondern der Mantel sich zu bewegen, als würde er atmen. Noch so ein Widerspruch, wie er die Ausstellung prägt und wie bereits der Titel „unverzüglich zuwarten“ verspricht.

Es ist jedenfalls nicht nur ihr Urheber, sondern auch die Kunstwerke selbst, die in dieser Schau an den Tod denken lassen. Dass diese Todesahnungsgeschichte dennoch Quatsch ist, hat einen einfachen Grund: Widersprüchliche Übergangszustände haben van de Laar nicht erst in den letzten Monaten beschäftigt. Über Jahrzehnte hat er die Arbeit an ihnen zur Meisterschaft gebracht.

Über die Jahrzehnte hat Robert van de Laar die Arbeit an widersprüchlichen Schwebezuständen zur Meisterschaftgebracht

Das belegen Ausstellung und Katalog, auch wenn die Verbindung von alten Arbeiten und neuen Werken ausdrücklich keine Retrospektive darstellen soll, wie Galerie-Direktorin Rose Pfister betont – sondern den Status Quo eines ausgesprochen vielseitigen Künstlers. Und weil eben das hervorragend gelingt, lohnt der Besuch auch für jene, die Robert van de Laar zu Lebzeiten nicht mehr kennengelernt haben.

Van de Laar hat die Bremer Kunstszene über Jahrzehnte beeinflusst: Als Kollege und Freund derer, die nun die posthume Schau in seinem Andenken möglich gemacht haben – und als Lehrer: in mehr als 20 Jahren als Professor an der Ottersberger Hochschule für Künste im Sozialen.

Zur Halbzeit der Ausstellung wird kommende Woche der rund 120 Seiten starke Katalog präsentiert, der mit Beiträgen von Rose Pfister, Hermanus Westendorp, Susanne Regener, Ingmar Lähnemann und Rainer Berthold Schossig einen höchst lesens- und sehenswerten Überblick über das Lebenswerk van de Laars gibt. An diesem Abend soll noch einmal Abschied genommen werden. Von dem Menschen Robert van de Laar, ausdrücklich aber auch von dem Künstler. Denn van de Laar, so erzählen jene, die ihn persönlich kannten, hat doch ohnehin bei jeder sich bietenden Gelegenheit über Kunst diskutiert.

„Unverzüglich zuwarten“, bis 3. April, Städtische Galerie

„Ein Abend für Robert van de Laar“, Donnerstag, 19 Uhr

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