: Manöver gießt Öl ins Feuer
KOREAS Südkorea und die USA beginnen ihr größtes Militärmanöver aller Zeiten. Nordkoreas Drohungen dürften den Verkauf eines US-Abwehrsystems fördern
Aus Seoul Fabian Kretschmer
Südkorea und die USA haben am Montag ihre jährlichen gemeinsamen Militärmanöver begonnen. Wegen Nordkoreas viertem Atomtest im Januar sind die achtwöchigen Feldübungen viel größer als bisher: Seoul wird 300.000 Soldaten mobilisieren, Washington weitere 17.000. Das habe vor allem den Effekt, weiter Öl ins Feuer zu gießen, prognostizierte Rüdiger Frank, der renommierteste Nordkorea-Experte im deutschsprachigen Raum. Er sollte recht behalten.
Nordkorea schließe einen „präventiven Atomangriff im Namen der Gerechtigkeit nicht aus“, erklärte das Oberkommando der nordkoreanische Streitkräfte. „Wir werden den atomaren Kriegszügen der USA und ihren Anhängern eine allumfassende Offensive entgegensetzen“, tönte am Montag Nordkoreas Staatsfernsehen. So eine Kriegsrhetorik aus Pjöngjang ist üblich: Beim letzten Manöver drohte Kim Jong Un Washington in ein „Meer aus Feuer“ zu verwandeln. Doch bisher hat Südkorea keine ungewöhnlichen Aktivitäten im Norden festgestellt. Weitere „Raketentests“ halten Experten demnächst aber für wahrscheinlich.
Pjöngjangs jüngste Provokationen werden auch als Machtdemonstration in Hinblick auf den Nordkoreas Parteikongress Anfang Mai gedeutet, dem ersten seit 1980. Es wird erwartet, dass Machthaber Kim Jong Un seine zaghafte marktwirtschaftliche Öffnung erstmals offiziell verkünden wird. Jüngste Propagandaslogans versprechen vor allem wirtschaftlichen Aufschwung und einen höheren Lebensstandard. Doch scheint dies jetzt entfernter denn je.
Am 10. Februar hatte Südkorea die gemeinsame Sonderwirtschaftszone Kaesong geschlossen, eine wichtige Devisenquelle des Nordens. Zudem hat die UNO letzte Woche das Regime mit den strengsten Sanktionen seit 20 Jahren belegt. Doch Wirtschaftssanktionen sind unter Nordkorea-Experten umstritten, da sie auch sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten treffen. Nach einem UN-Bericht von September 2015 schränkten Sanktionen auch die Arbeit von Hilfsorganisationen ein. Laut einem südkoreanischen Präsidentenberater eröffne jedoch genau jene „prekäre Situation“ des Nordens eine rare Möglichkeit, den Wiedervereinigungsprozess unter Leitung Südkoreas fortzuführen. Wie dies geschehen soll, ließen er jedoch offen.
Die Konfrontationsstrategie von Seoul und Washington wird auch außerhalb Nordkoreas kritisiert. „Die US-Armee ist sicherlich nicht an einer Lösung im Koreakonflikt interessiert. Wer derzeit Japan und Südkorea ein milliardenschweres Raketenabwehrsystem verkaufen möchte, kommt – gelinde gesagt – in einen ‚Interessenskonflikt‘ “, sagt etwa ein langjähriger EU-Abgeordneter, der anonym bleiben möchte.
Er spielt auf das THAAD-Raketenabwehrsystem an, das China als Bedrohung seiner nationalen Souveränität ansieht. Am Freitag haben südkoreanische und US-Beamte die Verhandlungen darüber begonnen.
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