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Nierentischbunt

KunstEin Faible für Formen, Muster und posenhafte Porträts: Almut Heise und ihr „German Pop“ in der Galerie Michael Haas

von Kito Nedo

Normalerweise malt die Hamburger Künstlerin Almut Heise keine Porträts auf Bestellung. Ganz im Gegenteil. Solchen Auftragsansinnen sucht sie sich immer zu entziehen, da sie nicht an den „dienenden Aspekten“ des Porträtmalens interessiert ist.

Doch einmal, Mitte der achtziger Jahre, gelang es Klaus von Dohnanyi, dem damaligen Hamburger Regierenden Bürgermeister, die Künstlerin zu verpflichten. Heise sollte ein Porträt des Amtsvorgängers Herbert Weichmann (1896–1983) für die Rathausgalerie der ehemaligen Bürgermeister liefern: Weichmann war zwischen 1965 und 1971 Erster Bürgermeister der Hansestadt und eine sozialdemokratische Legende. Wie sie es anstellen sollte, wusste Heise lange nicht. Klar war jedoch: Auf keinen Fall wollte sie ein konventionelles Politikerporträt malen.

Die zündende Idee kam ihr, nachdem sie für die Recherche mehrere Ordner mit Pressefotos in einer Hamburger Zeitungsredaktion durchforstet hatte. Dort waren ihr die vielen Aufnahmen mit Weichmanns einflussreicher Frau Elsbeth aufgefallen, die sich nie mit der Rolle der „First Lady“ begnügte, sondern in verschiedenen Ausschüssen und in der Bürgerschaft aktiv Politik betrieb.

1986 schuf Heise also das großformatige Doppelporträt „Bürgermeister Weichmann & Frau“ – welches man bis heute im Vorraum des Bürgermeisteramtszimmers im Hamburger Rathaus besichtigen kann. Es zeigt ein politisches Power Couple in selbstbewusster Pose. So zog erstmals auch die Ab­bildung einer Frau in die politische Ahnengalerie des Rathauses ein.

Eine kleine gezeichnete Vorstudie für das Hamburger Doppelporträt ist zurzeit in Charlottenburg zu sehen, in den Ausstellungsräumen der Galerie von Michael Haas. Anders als beim Hauptwerk platziert Heise das Bürgermeisterpaar hier vor eine wilde, tachistische Mustertapete, welche die Weichmanns förmlich zu verschlucken droht.

Seltsam realistisch

Die Arbeit vereint exemplarisch die beiden großen Themen der Künstlerin: Einerseits schlagen die künstlerische Durcharbeitung von extrem aufgeräumten Interieurs und das Faible für die Formen, Stoffe, Muster und Farben der fünfziger und sechziger Jahre ihren Betrachter in den Bann. Andererseits ist da die Produktion von posenhaften Porträts, deren Manierismus – auf sehr unterhaltsame Weise – schon das Reich des Surrealen streift. Diese seltsam realistischen Bilder laufen so ziemlich allem zuwider, was man heute als zeitgenössische Kunst präsentiert bekommt. Daher rührt ihr großer Wiederkennungswert.

Als Verfechterin einer realistischen Kunst sieht sich die Künstlerin aber nicht: „Meine Bilder sind nur insofern realistisch, als man von dem, was man sieht, glauben kann, dass es das so geben könnte. Mich interessiert nicht, ob es das wirklich so gibt. Ich möchte es glauben machen. Ich möchte Gegenstände malen und mit Gegenständen und Zitaten hantieren wie andere Leute mit Farben und Formen.“

Vielleicht ist Kino die bessere Referenz? Manchmal wirken ihre kostümierten Figuren wie aus Fassbinder-Filmen entsprungen.

Die Einflüsse aus Modefotografie, Werbung, Möbelhausschaufenstern und Interieurmagazinen sind unverkennbar und machen die 1944 im niedersächsischen Celle geborene Künstlerin, die Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre bei den britischen Pop-Art-Größen Allen Jones, David Hockney und Peter Blake studierte, zu einer Vertreterin dessen, was eine Frankfurter Ausstellung kürzlich als „German Pop“ deklarierte. Als Einzelgängerin und bekennende Langsam-Malerin (vier bis fünf Bilder pro Jahr) verfolgt sie nun schon über mehrere Dekaden scheinbar unbeirrt – und auch unberührt von den jeweiligen Zeitgeistmoden – ihre ganz eigene ästhetische Mission. Und vielleicht liegt in dieser Ausdauer und Hartnäckigkeit auch einer der Gründe, warum Heise, ähnlich vielleicht wie die Wiener Pop-Künstlerin Kiki Kogelnik oder die amerikanische Malerin Dorothy Iannone, als Artist’s Artist gerade von einer jüngeren Künstlergeneration momentan geradezu kultisch verehrt wird.

Inspiriert von Hockneys „Domestic Scenes“ begann Heise Ende der sechziger Jahre ihre „Häuslichen Szenen“ zu malen, die zunächst als Kritik am Muff der Wirtschaftswunderzeit aufgefasst wurden. Doch dies war gar nicht die Intention der Künstlerin gewesen, die sich eher für die erste große Kon­sumwelle und die Rückkehr eines gewissen Hedonismus in der Nachkriegszeit interessierte, der all die schön-scheußlichen Nierentische, Tütenlampen, Cock­tailsessel und Motivtapeten in die Wohnzimmer spülte. „Die Fünfziger waren absolut fortschrittsgläubig“, erklärte die Künstlerin in einem Interview. „Ich habe meine Schulzeit nicht als muffig erlebt. Ich habe mich amüsiert als Kind. Musik spielte eine enorme Rolle. Musiktruhen wurden plötzlich gekauft, Plattenspieler wurden angeschafft.“

Gleich am Anfang der aktuellen Charlottenburger Ausstellung hängt „Häusliche Szene II“ – ein reichlich zwei Meter hohes und anderthalb Meter breites unglaubliches Ölbild von 1969, das eine Treppenszene zeigt. In der rechten Bildhälfte steigt eine Frau mit Betonfrisur und hellblauem Synthetikkostüm vor einer violetten Tapete mit stilisiertem Weinrebenmuster eine Holztreppe mit Metallgeländer empor, den kardinalroten Kunststoffhandlauf im Griff. Aufgrund der flächigen Ausführung wirkt sie so platt wie eine große Flunder. Das ist sehr lustig.

Die linke Bildseite dominiert ein vertikales Bambusgitter vor einer mintgrünen Wand, an dessen Aufhängungen ein paar Zimmerpflanzen vor sich hin kümmern. Eine an sich banale Szene, die in ihrer malerischen Überhöhung etwas Überraschendes gewinnt. In der Tat erscheint der Grundtenor hier eher humorig – eine irgendwie sympathisierende Schilderung ästhetischer Verirrungen der Zeit.

Die von Heise gemalten Räume sind bis in die Gegenwart vornehmlich fensterlos geblieben. Ihre Szenen lässt sie nun auch an öffentlichen Räumen stattfinden: Restaurants, öffentliche Toiletten, den White Cube einer Galerie. In diesem Zusammenhang tauchen nun öfters Spiegel auf – wie in den drei Spiegelszenen aus den Jahren 2006 und 2013, welche in der Charlottenburger Ausstellung zusammenhängend präsentiert werden.

Versunken in Kunst

Waren die Spiegel in der Kunstgeschichte oft ein Mittel, um eigentlich außerhalb liegende Dinge und Personen (wie etwa die Künstler selbst) mit ins Bild zu holen, nutzt Heise sie, um ihre Bilder noch hermetischer zu versiegeln. Ihnen sind zwei ihrer Galerie- beziehungsweise Museumsszenen aus den Jahren 2013 und 2014 gegenübergestellt: Sie zeigen Rückenansichten von Frauen in ­Ausstellungsräumen, teilweise versunken in der Betrachtung von Kunst.

Vielleicht muss man sich das Heise-Universum als eine Art ästhetischer Echokammer denken: Im Jenseits des Bildes lauert immer ein anderes, weiteres Bild.

Almut Heise: Galerie Michael Haas, Niebuhrstraße 5. Bis 26 März, Mo.–Fr. 9–18 Uhr, Sa. 11–14 Uhr

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