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EISSCHNELLLAUF Medaillen für deutsche Läufer sind bei der Mehrkampf-WM in Berlinnicht zu erwarten, aber das soll sich bald ändern, sagt Sportdirektor Robert BartkoRat vom Radler

„Ich weiß, wie Leistungssport funktioniert“: Bartko, früher Radprofi, ist jetzt Eislauffunktionär Foto: imago

aus Berlin Johannes Kopp

Die Frage nach den Erwartungen kommt für Robert Bartko 14 Jahre zu früh: „Was wir in Sotschi bei den Olympischen Winterspielen für schlechte Ergebnisse hatten, ist vor 15 Jahren verschlafen worden. Das holt man nicht innerhalb von einem Jahr auf.“ Seit 15 Monaten ist Bartko Sportdirektor der so schwer aus dem Gleichgewicht geratenen Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Die Ernte seiner Arbeit will er 2030 einholen. Entsprechend zurückhaltend formuliert er seine Hoffnungen für die Mehrkampf-WM, die an diesem Wochenende in Berlin stattfindet (heute 16.50 Uhr, ARD). Von Außenseiterchancen spricht er. Mit der 44-jährigen Claudia Pechstein und Patrick Beckert müsse man immer rechnen – zumal man ja den Heimvorteil habe. Und er sagt: „Wir, die Verantwortlichen, Trainer und Athleten, haben diese Saison einiges geleistet. Da hätten wir es schon verdient, wenn dabei eine Medaille rausspringt anstelle der vielen vierten Plätze.“

In Sotschi 2014 ging der damals gut geförderte Wintersportverband, der über viele Jahre bei den Frauen üppige Medaillengewinne und schlagzeilenträchtige Scharmützel unter den Starläuferinnen garantierte, leer aus. Ein Desaster. Die heillos zerstrittene kleine Eisschnelllauffamilie einte lediglich die Erkenntnis, dass grundlegende Veränderungen her üssen. Beauftragt wurde damit, ein wenig überraschend, der einstige Bahnradolympiasieger von Sydney, Robert Bartko. Viele Eisschnellläufer begrüßten das. Dass in dieser Schlangengrube einer der Altkader Ordnung und effiziente Strukturen aufbauen könnte, schien kaum vorstellbar. Aber auch die weniger Veränderungswilligen konnten sich anfangs mit dieser Lösung anfreunden.

Für viele, sagt Bartko, sei er anfangs derjenige gewesen, der weder Ahnung noch einen Plan hatte. „Der eine oder andere wird sich umgeschaut haben, als es relativ straff los ging.“ Bartko selbst charakterisiert sich als „geradlinig“. Ihm könne keiner ein X für ein U vormachen. „Ich weiß, wie Leistungssport funktioniert.“ Spricht man mit dem 40-Jährigen, ahnt man, wie er mit seiner Unbeirrbarkeit einem mutlosen Verband Zuversicht einflößen kann. Im Berliner Landessportbund, wo er Vizepräsident ist, und in Gremien des Olympiastützpunktes hat der ehemalige Profisportler den nahtlosen Übergang ins Funk­tio­närswesen gemeistert.

So hat er auch DESG-Präsident Gerd Heinze überzeugt. Über das Eisschnelllaufen könne er niemanden belehren, er müsse die Rahmenbedingungen für gute Leistungen schaffen, erklärt Bartko. „Das ist eine langfristige konzeptionelle Arbeit, aber wir haben auch schon einige Dinge angestoßen.“ Er führt die strengeren Nominierungskriterien und die wesentlich häufigeren Leistungsdiagnostiken während der Saison als Beispiel an. Besondere Aufmerksamkeit widmet Bartko aber dem Thema Kommunikation. Angesichts der Zerstrittenheit unter den Athleten und den drei Stützpunkten in Berlin, Inzell und Erfurt hat er viel Zeit darauf verwandt, mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen und sie von einer einheitlichen Vorgehensweise zu überzeugen.

„Das ist eine langfristige kon­zeptionelle Arbeit“

Robert Bartko

Inwieweit Bartko vorankommt, ist schwer zu sagen. Recht geräuschlos hat er seine ersten Schritte unternommen. Seine Arbeit wurde öffentlich nicht zerpflückt. Wobei seine Reaktion auf diese Einschätzung Einblicke gibt, in welch schwierige Verhältnisse er geraten ist. „Geräuschlos? Da habe ich eine ganz andere Wahrnehmung, aber das ist ja ganz gut, wenn intern das Ganze in Fahrt kommt und man nach außen das vielleicht nicht so wahrnimmt.“ Sicherlich, die große alte und gern giftende Dame des deutschen Eisschnelllaufs, Claudia Pechstein, fährt nach wie vor ihre kleinen Attacken.

Erst im Februar bei der Einzelstrecken-WM im russischen Kolomna sagte sie angesichts des schlechten Teamergebnisses: „Schade, dass ich kein Seil hatte und die Mädels mitziehen konnte.“ Vierte Plätze waren das Beste, was die DESG zu präsentieren hatte. Auch deshalb genießt die 44-Jährige Artenschutz. Bartko räumt zwar ein, dass er sich eine andere Wortwahl wünschen würde, wirbt aber zugleich um Verständnis für Pechstein. Mit ihren Leistungen hätte sie immer für alle anderen den Rücken freigehalten. „Das ist möglicherweise nur ein Ausdruck der Frustration, dass sie immer noch die Hauptverantwortung für die Ergebnisse trägt. Und das ist vielleicht nicht einmal böse gemeint gegenüber ihren Teamkolleginnen.“

Derartige Attacken gehören indes zum Kulturgut des deutschen Eisschnelllaufs. Auch Gunda Niemann-Stirnemann, die sich derzeit nicht mit einem befristeten Vertrag als Jugendtrainerin in Erfurt abfinden will, und Annie Friesinger-Postma mischten einst in dieser Disziplin munter mit. Robert Bartko macht in diesem Zusammenhang auf ein anderes Problem aufmerksam. Der Verband habe diese Gefechte bewusst geduldet, weil der Sport auch so seine Aufmerksamkeit generierte. Zu Erfolgszeiten könne man das ja so handhaben, sagt Bartko, nun müsse man aber etwas mehr Demut aufbringen. Vergangenen Herbst wurde auch er von Pechstein ins Visier genommen. Sie hielt ihm zwar seine Gesprächs­offenheit zugute, erklärte jedoch, „dass sich nichts grundlegend geändert hat“. Bartko ließ die Vorwürfe unkommentiert verhallen. An aktuellen Ergebnissen will er seine Arbeit sowieso nicht messen lassen.

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