Robert Hoyzer war’s, nicht wir

Den Berliner Fußballverband geht der Prozess gegen den Schiedsrichter scheinbar nichts an. Dabei gibt es einiges aufzuarbeiten. Bislang standen eher die Spielregeln im Mittelpunkt der Schiedsrichterausbildung, weniger die Persönlichkeit

VON JÜRGEN SCHULZ

Kaum hat der Prozess gegen den Skandalschiedsrichter Robert Hoyzer begonnen, gibt es bereits ein erstes Fazit. Der Berliner Fußballverband (BFV) agiert in der Affäre Hoyzer bewusst defensiv, obwohl der unter Betrugsverdacht stehende Angeklagte, sollte er schuldig gesprochen werden, seine Missetaten als Berliner und Mitglied von Hertha BSC verübt hätte.

Von der Verbandsspitze beabsichtigt auch niemand, den laufenden Gerichtsprozess um das einstige pfeifende Wunderkind zu besuchen. Dirk Brenneke, der Hoyzer seit Jahren kennt, sieht dafür keinen Anlass: „Sogar wenn Robert neben mir am Tisch sitzen würde, wüsste ich nicht, was ich mit ihm reden sollte“, bekennt der BFV-Geschäftsführer.

Der Schock, dass mit Hoyzer ein Zögling aus der abseits gelegenen Grunewald-Villa einen Skandal von nationaler Wucht ausgelöst hat, wirkt immer noch nach im kleinen DFB-Landesverband Berlin. „Für mich war das ein absolut furchtbares Erlebnis, es war jenseits meiner Vorstellungskraft“, gesteht Präsident Bernd Schultz, der vier Monate nach seinem Amtsantritt im September 2004 von DFB-Präsident Theo Zwanziger von der anrollenden Betrugslawine informiert wurde. Wenigstens, so fügt Schultz hinzu, sei der „Generalverdacht gegen den BFV ausgeräumt“. Was wohl damit zu tun hat, dass der ursprünglich ebenfalls unter Tatverdacht stehende frühere Hoyzer-Kollege Felix Zwayer aus Berlin mittlerweile entlastet worden ist. Für Gerhard Müller bedeutet Zwayers Rehabilitierung einen kleinen Trost.

Der Vorsitzende des Schiedsrichter-Ausschusses im BFV weiß jedoch, dass die jahrelange Aufbauarbeit in der pfeifenden Zunft schweren Schaden genommen hat. „Die Sache hat uns um Jahre zurückgeworfen“, gesteht der einstige Lehrmeister Hoyzers ein. Dabei galt Berlin bis zum Erdbeben mit Epizentrum im Zocker-„Café King“ als sprudelnder Quell für befähigte Referees. Nach „Altmeister“ Lutz Michael Fröhlich schien Hoyzer, der schon mit Anfang zwanzig in die 2. Bundesliga aufstieg, als der kommende Mann. Ein Produkt aus dem Hause BFV, wo Schiedsrichter besonders sachkundig auf ihre Aufgabe im Profibusiness vorbereitet wurden.

Dass bei der Schulung möglicherweise zu viel Wert auf Regelkunde und Kondition gelegt worden ist und persönliche Defizite zu kurz gekommen sein könnten, dämmert den Verantwortlichen inzwischen. „Man fragt sich schon: Hätte man auf Alarmzeichen nicht rechtzeitig reagieren sollen“, sinniert Müller, der „seit 1998 eine sehr enge, freundschaftliche Beziehung zu Robert“ hatte. Sein Schützling galt nicht als Kind von Traurigkeit, er soll auf Lehrgängen nicht nur tief in Regelbücher geschaut haben.

Nun steuert der BFV um, obwohl die Statistik den Betrugsskandal als verdaut ausweist: Waren 2001 in Berlin 1.100 Unparteiische gemeldet, so ist die Zahl 2005 auf 1400 gestiegen. „Wir haben keine rückläufigen Zahlen zu vermelden“, sagt ein erleichterter Müller. Und trotzdem. „Wir haben unsere Konzepte aufgrund der Vorkommnisse auf den Prüfstand gestellt“, betont Verbandsgeschäftsführer Brennecke. Statt überwiegend auf „sportambitionierte“ Leistungskriterien zu achten, soll in Zukunft die „soziale Betreuung“ der Nachwuchsspielleiter in den Fokus rücken. „Die Schiedsrichter werden jetzt auch außerhalb des Spielfeldes betreut“, erklärt Müller. Erfahrene Betreuer sollen das Niveau der „sozialen Kompetenz“ ihrer jüngeren Kollegen steigern. Brennecke über den neuen Idealtypen: „Wir wollen Persönlichkeiten, die ihren Weg gehen.“

Dass dies kein leichter Gang wird, dessen sind sich die BFV- Funktionäre bewusst. Vor allem die Arbeitslosigkeit ihrer Klientel bereitet ihnen Sorgen. Die Zeiten, als sich Referees am Wochenende ein Sahnehäubchen dazu verdienten, scheinen passé. „Wir müssen uns vor allem um die Arbeitslosen kümmern“, fordert Müller vom Schiri-Ausschuss.

In seiner Aussage schwingt die Angst mit, das Drohgespenst Hartz IV könnte anfälliger machen für unlautere Geschäfte. „Unsere Aufgabe ist es, mit den Arbeitslosen zu sprechen und zu fragen: Wohin willst du eigentlich? Aber ein Rundum-Sorglos-Paket können wir ihnen nicht bieten“, bedauert Brennecke.

Bei allen Reformen glaubt BFV- Präsident Bernd Schultz übrigens nicht, dass ein zweiter Fall Hoyzer in Zukunft auszuschließen ist: „Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass Leute nicht in Versuchung geführt werden können – gerade in der Großstadt.“