: Ewig rauschen die Gitarren
Konzert Wieder mal der Indie-Rock gerettet: Car Seat Headrest im Acud
Car Seat Headrest, ein Name, den man sich wahrscheinlich merken muss. Die Band kommt aus Seattle, und am Anfang ihrer Geschichte war sie erst einmal ein Soloprojekt von Will Toledo – und der ist schon so einer, der unbedingt den Stachanow-Orden für eine unentwegte Übererfüllung des Do-it-yourself-Ethos verdient hätte.
Weil der Anfang der Geschichte reicht noch gar nicht so lange zurück, und trotzdem hat Will Toledo mit Car Seat Headrest seit 2010 die unglaubliche Zahl von zwölf Alben veröffentlicht mit einem experimentell angehauchten Lofi-Rock und Songs mit so einem nervösen Zucken, wie man das etwa auch von Pavement kannte.
Spilleriger Pop ist bei Car Seat Headrest zu hören, mit Melodien, die sich gar nicht groß um ihre Ebenmäßigkeit zu kümmern scheinen und die halt doch schon was von den Beach Boys gehört haben, die genau an dieser Ebenmäßigkeit so fein bis zur Makellosigkeit gefeilt haben. Songs wie kleine melancholische Zuckerstückchen, die fürs Gemüt. Und dazu scheppernde Gitarren, damit auch der Rest des Körpers in Bewegung kommt.
Indie-Rock halt.
Veröffentlicht haben Car Seat Headrest diese zwölf Alben vorbildhaft und vollkommen independent auf der Netzplattform Bandcamp. Dennoch fühlt es sich wohl für Toledo und seine Band irgendwie „richtiger“ nach Indie-Rock bei ihrer Musik an, dass sie jetzt Ende des vergangenen Jahres die vollkommene Unabhängigkeit aufgegeben und dafür eine Heimat bei Matador gefunden haben, dem renommierten Indie-Label mit so Helden wie Yo La Tengo, dem Ex-Sonic-Youth-Mann Thurston Moore oder eben Pavement im Programm.
Ein bisserl Teen Spirit
Am Donnerstag spielte die Band im Rahmen ihrer Europatournee im Acud. Mächtig legten sich die vier Anfangzwanziger ins Zeug, und das schmeckte manchmal mit den aufbrausenden Gitarren kurz nach der Schreihalsigkeit von einem Teen Spirit und über die weitaus längeren Strecken des Konzertes doch mehr nach einem College-Rock, der sich alles Schlaumeierische allerdings hübsch verkniff.
Überhaupt wirkten die Lieder von Car Seat Headrest auf der Bühne fast noch einen Zacken besser. Schärfer jedenfalls und entschiedener.
Wobei diese Entschiedenheit in durchaus gegensätzliche Richtungen strebte mit dem – alter Indie-Trick – Laut-leise-Modus in der Musik, dem Stop-and-go, den aufgerissenen Texturen, und wie ein hart malmender Rock mit Quengelgitarre harsch mit sanftmütigen Liedern gegengeschnitten wurde. Will Toledo sang sie mit seiner leicht pickelig klingenden Stimme.
Veräußerung und Innenschau. Beides, aneinandergekettet.
Indie-Rock halt. Und es gibt immer wieder einen Grund, an ihn zu glauben. An diesem Abend hieß er Car Seat Headrest. Thomas Mauch
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