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Selektiert zu Zwangsarbeit und Tod

Anklage Hubert Zafke soll von dem systematischen Massenmord gewusst und diesen durch seinen Dienst unterstützt haben

NEUBRANDENBURG taz | Der Zug transportierte 498 Männer, 442 Frauen und 79 Kinder. Am 5. September traf er aus den Niederlanden kommend in Auschwitz ein. An Bord war auch eine Familie aus Frankfurt am Main. Diese hatte lange versteckt in Amsterdam überlebt, bis sie einer Denunziation zum Opfer fiel. Die jüngere der beiden Töchter hatte dort Tagebuch geführt. Sie hieß Anne Frank.

Wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen muss sich Hubert Zafke vor Gericht verantworten. Die Zahl orientiert sich an den Insassen der 14 Züge mit deportierten Juden, die vom 15. August bis zum 14. September 1944 – Zafkes Einsatzzeitraum – in Auschwitz ein­trafen.

Die Transporte kamen aus halb Europa: aus Deutschland, Polen, Slowenien, den Niederlanden und Griechenland. Die meisten Menschen wurden direkt nach ihrer Ankunft ermordet. Einige mussten als Arbeitssklaven schuften, so wie Anne Frank. Aus ihrem Zug wurden 549 der 1.019 Menschen, darunter alle Kinder unter 15 Jahren, sofort vergast.

Anne Frank war wenige Tage zuvor fünfzehn geworden. Sie überlebte Auschwitz, starb dann Anfang März 1945 im KZ Bergen-Belsen, wohin sie verlegt worden war.

SS-Unterscharführer Hubert Zafke soll als Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel von dem systematischen Massenmord gewusst und diesen durch seinen Dienst unterstützt haben.

Die Sanitätsstaffel diente nicht nur dem Wohlergehen des in Auschwitz eingesetzten SS-Personals. Ihre Mitglieder wurden auch eingesetzt, um erkrankte Häftlinge zu klassifizieren. Der polnische Historiker Aleksander Lasik hat auf entsprechende Dokumente verwiesen, die Zafkes Unterschrift tragen.

Es ist nicht das erste Verfahren für den 95-Jährigen. Bereits 1946 wurde er von einem polnischen Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt, die er auch absaß. Doch dieser Prozess betraf einen früheren Einsatz Zafkes vom Oktober 1943 bis Januar 1944 in Auschwitz.

Danach lebte Zafke unbehelligt in einem Dorf im Norden der DDR, heiratete, bekam vier Söhne und arbeitete in einer Schrotmühle. Die Stasi wusste schon seit den 1960er Jahren um seinen zweiten Einsatz in Auschwitz, wie aus der taz vorliegenden Dokumenten hervorgeht – doch die Justiz im angeblich „antifaschistischen Deutschland“ unternahm nichts.

Klaus Hillenbrand

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