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Es sind Hexen im Haus

Schauspiel Die Bremer Shakespeare Company zeigt „Macbeth“ in durchweg männlicher Besetzung als vergesellschafteten Konflikt – und nimmt sich dafür leider zu viel Zeit

von Jan-Paul Koopmann

Wer die Handlung des Schinkens „Macbeth“ nicht halbwegs sicher nacherzählen kann, der dürfte auch nach dem Besuch der neuen Inszenierung der Shakespeare Company noch so seine Schwierigkeiten damit haben. Allerdings: Über Macht, Verrat und das Schicksal dürfte er hinterher umso besser Bescheid wissen.

Fünf Männer stehen da durchweg im schwarzen Frack auf der Bühne und spielen in diesem Kostüm alle: Macbeth, König Duncan plus Söhne, die Thanes und natürlich die Hexen. Die Rollenzuweisung ist unzuverlässig, mal wird getauscht, oder der Macbeth von der vollen Besetzung im Chor gesprochen. Die einzige Konstante ist dabei Erik Roßbander als Lady Macbeth, ebenfalls mit Frack und Fliege, um den Herren einen bezaubernden Fixpunkt für all die widersprüchlichen Varianten männlicher Rollenbilder zu bieten.

Diese planmäßige Verwirrung spannt das Publikum unmittelbar ins paranoide Rätseln ein: Wer ist noch grad der Verräter? Wer tötet da wen? Und vor allem: Sind schon wieder Hexen am Werk? Den Verweis auf die zu Shakespeares Zeiten in Europa noch umgehende Hexenverfolgung gibt Peter Lüchinger im Paratext noch vor dem ersten Vorhang zu Bedenken: Jeder hier könnte eine Hexe sein.

Auf der Bühne steht eine weiße Insel: ein schlicht möblierter Felsen, irgendwas zwischen Pärchenwohnung und schottischer Burg. Jenseits der Grenzen dieses abgeschlossenen Raums treiben sich meist nur Hexen und Geister herum.

Noch gesteigert wird die Dichte über die Chöre. Dass Regisseur Bernd Freytag davon etwas versteht, hat er als langjähriger Chorleiter von Einar Schleef und Volker Lösch längst unter Beweis gestellt. Am Leibnizplatz hat er in seinem ersten Stück, „König Lear“, noch sehr dezent mit der Mehrstimmigkeit gespielt – um nun endlich so richtig aufzufahren.

Insbesondere das Trio Tobias Dürr, Markus Seuß und Tim Lee manövriert gekonnt durch die Rollenwechsel und überführt die gemeinsame Pose immer wieder in Tanzschritte, Gesang und eben gemeinsames Sprechen.

Im Chor werdendie Sprecherzur Einheit,deuteln nicht länger an denindividuellen Rollen herum,sondern gehen aufin derfremdbestimmten Ordnung

Im Chor werden die Sprecher zur Einheit, deuteln nicht länger an den individuellen Rollen herum, sondern gehen auf in der fremdbestimmten Ordnung. Darüber wird der Schicksals-Text auch über seinen Inhalt hinaus bestimmend, die Ausweglosigkeit der Untergangsbewegung hör- und erfahrbar.

Und das wäre alles so richtig überwältigend, wenn es denn nur gelungen wäre, diese Spannung auch über die knapp zwei Stunden durchzuhalten. Doch obwohl die zentralen Dialoge durchaus stimmig eingebunden sind und dazu noch ein durchaus launiges Varieté-Thema den Stoff verdaulich macht – obwohl das alles funktioniert, wird der Abend dann doch zäh, hat man die Konstruktion erst erfasst. Dann beginnt man doch irgendwann runterzuzählen, wenn Peter Lüchinger mal wieder den Wasserstand durchgibt: „Fünfter Akt, Szene acht“, was im Publikum hier und da mit hastigem Blättern im Programm quittiert wird.

Dennoch bleibt Freytags „Macbeth“ ein angenehm frischer Zugriff auf das Stück, dem es gelingt, trotz Hokuspokus und Historie wirklich Drängendes zu erzählen. Denn drohende Untergänge beschäftigen nicht allein Schottland und Macbeth. Das Verhängnis wird in dieser Inszenierung gekonnt vergesellschaftet. „Wir müssen alles ändern“, heißt es am Ende – und meint damit die ganze Welt. Und daran kann trotz Durststrecke keiner mehr zweifeln, der diese paranoide Schicksalsmaschine in Aktion erlebt hat.

Termine: 3. und 11. 3., 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz

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