: Es hat was von Jagen
PHOTOGRAPHIE Förderpreisträger Björn Behrens zeigt in der Villa Ichon neue und alte Arbeiten, die mit dem Verhältnis von Dokumentation und Inszenierung spielen
VON ANDREAS SCHNELL
Dass Björn Behrens 2011 den Bremer Förderpreis für Bildende Kunst erhalten hat, ist schon ein bisschen ungewöhnlich. Denn als erster Preisträger wurde er für eine photographische Arbeit ausgezeichnet. „Trost der Anderen“ hieß die Serie, die Bilder von jungen Turmspringern aus Bremen neben Straßenhunde aus Kalkutta stellte.
Wobei: Dass da Turmspringer zu sehen sind, unterstellt der/die Betrachtende. Denn springen sehen wir sie nicht. Sie stehen auf der Plattform, vielleicht kurz vorm Sprung. Aber noch halten sie sich fest. Vielleicht wird ihnen am Ende doch der Mut fehlen. Bis dahin sind sie auf sich gestellt, vielleicht ein bisschen wie die Straßenhunde von Kalkutta?
Behrens selbst erinnert sich daran wie es ist, da oben zu stehen. Und dann doch lieber wieder die Treppe nach unten zu nehmen. Auch die Reihe „Memento moriendum esse“ zeigt Menschen, die sich festhalten. Die vielleicht allein sind, vielleicht auch nicht. Sie alle tragen Lederjacken, die Hand ruht auf dem Tresen. Vielleicht fallen sie gleich betrunken nach vorn. Vielleicht setzen sie aber auch nur zum Sprung auf die Tanzfläche an, der manchen genauso viel Mut kostet wie der Sprung vom Zehner. „Erinnere, dass du sterblich bist“, heißt der Titel der Serie übersetzt.
Inszeniert oder nicht? Das ist vielleicht die falsche Frage, oder besser: eine, die nicht zu beantworten, Teil der Arbeit ist. Er finde solche Bilder, dann suche er sie, sagt Behrens. Mit einer alten, mit Gaffer-Tape geflickten Canon Auto Focus zieht er dann los, um die Lederjacken tragenden Männer zu finden, die sich festhalten. „Das hat was von Jagen“, meint Behrens.
Auch das richtige Format für die Lederajckenmänner musste er gewissermaßen erjagen. Zu sehen waren sie schon in Brüssel, in der Bremer Landesvertretung, wo die Förderpreisträger neuerdings auch ausgestellt werden. Da, fand Behrens, haben die Männer aber noch nicht so richtig gewirkt. Nun kommen sie größer und auf Zeitungspapier gedruckt.
Neben „Trost der Anderen“ und „Memento moriendum esse“ sind in der Villa Ichon auch noch zwei neue Reihen zu sehen, auf denen es um Möwen und Steine geht. Fehlende Steine, um genau zu sein. Auch in diesen Arbeiten spielt Behrens mit der Klippe zwischen Dokumentation und Kunst. Ein Grat, den der Künstler übrigens gleichsam alltäglich beschreitet. Seine Internetseite www.bjoernbehrens.de weist ihn als Werbefotografen aus, an der Kunstschule Wandsbek bringt er dem Nachwuchs das Fotografieren bei.
Angewandt oder frei – ist das überhaupt die Frage? Er gehe auch bei Werbeaufträgen anders heran als klassische Agenturen. Zudem ist er schließlich gelernter Werbefotograf. „Angewandt ist verpönt, aber da muss jeder selbst seinen Weg finden.“ Wer von Hartz IV leben muss, um als Künstler leben zu können, habe vielleicht mehr Zeit für die Kunst. Aber dafür fehlen eben oft die Mittel für Arbeitsmaterial.
So lange dieser Spagat also funktioniert, wird es weiterhin beides für ihn und von ihm geben. Als nächstes stehen dann die Einzelausstellung in der Städtischen Galerie und die Produktion des dazugehörigen Katalogs an, die mit dem Förderpreis verbunden sind.
■ Björn Behrens: „Based On Truth“, Vernissage: Freitag, 19.30 Uhr, bis 2.2., Mo-Fr 16-20 Uhr, Sa 11-13 Uhr, Villa Ichon