: Straßenschlachten in Birmingham
Afrokaribische und asiatische Jugendliche bekämpfen sich in Großbritanniens zweitgrößter Stadt. Auslöser: die angebliche Vergewaltigung einer Vierzehnjährigen. Doch die Ursachen liegen in der Teilung der Gesellschaft entlang ethnischer Grenzen
VON RALF SOTSCHECK
Ein Toter, mehr als 20 Verletzte und Sachschaden in Millionenhöhe – das ist die Bilanz der Straßenschlacht im britischen Birmingham zwischen afrokaribischen und asiatischen Jugendlichen in der Nacht zu gestern. Die Spannungen hatten sich seit Mitte voriger Woche aufgebaut, nachdem eine vierzehnjährige illegale Einwanderin aus der Karibik von drei asiatischen Männern angeblich entführt und vergewaltigt wurde.
Am Samstagnachmittag fand eine Bürgerversammlung in Lozells statt, auf der es um die Vergewaltigung ging. Dieser Stadtteil in Großbritanniens zweitgrößter Stadt Birmingham ist eine Hochburg afrokaribischer Immigranten, vor allem aus Jamaika. Seit Jahren sind aber verstärkt Einwanderer aus Asien zugezogen. Zwischen den beiden ethnischen Gruppen herrscht Rivalität, die laut Polizei mit Drogenhandel zusammenhängt. Anfangs haben die afrokaribischen und asiatischen Drogenbanden zusammengearbeitet, doch inzwischen kämpfen sie um die Vorherrschaft, sagte ein Sprecher der Polizei.
Nach der Versammlung in der New Testament Church of God zogen am Samstagabend gegen sechs Uhr mehr als hundert vermummte schwarze Jugendliche mit Baseballschlägern durch die Stadt und griffen Autofahrer und Passanten an. Mehrere Autos gingen in Flammen auf. Ein etwa 20-jähriger Schwarzer wurde vor einem karibischen Lebensmittelgeschäft erstochen, drei weitere mussten mit Stichwunden ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein Polizist wurde von einem Schuss ins Bein getroffen. Die Polizei in Kampfausrüstung, unterstützt von Hubschraubern konnte die Lage erst spät in der Nacht unter Kontrolle bringen.
Der Labour-Abgeordnete für das Viertel, Khalid Mahmood, der auf der Bürgerversammlung gesprochen hatte, sagte gestern, dass die Gewalt nichts mit der Versammlung zu tun hatte. „Extremistische Elemente von außerhalb wollten den Zwischenfall für ihre kriminellen Ziele nutzen“, sagte er. Er verlangte, gewaltbereite Jugendliche aus anderen Stadtteilen von Lozells fernzuhalten.
Für Trevor Phillips, den Vorsitzenden der Kommission für Gleichberechtigung ethnischer Gruppen, waren die Krawalle keine Überraschung. Er hatte am Donnerstag gewarnt, dass in britischen Städten immer mehr Rassenghettos wie in den USA entstehen. „Wir schlafwandeln in die Segregation“, sagte er. „In den nächsten zehn Jahren werden Birmingham und Leicester die ersten britischen Städte sein, in denen die ethnische Minderheit in der Mehrheit ist.“ Besonders beunruhigend sei die Tatsache, dass vor allem die jüngere Generation die Segregation vorantreibe. Das gelte sowohl für die weißen Briten, als auch für die ethnischen Minderheiten. Er verlangt eine „aggressive Integrationspolitik“, durch die „weiße Schulen“ gezwungen werden, mehr Schüler aus ethnischen Minderheiten aufzunehmen. „Die Zersplitterung unserer Gesellschaft entlang ethnischer Trennungslinien ist für uns alle eine Katastrophe“, sagte Phillips.