Morales darf nicht noch einmal

Bolivien Der Vorstoß des Präsidenten, sich durch eine Verfassungsänderung eine erneute Kandidatur zu sichern, ist gescheitert. Beim Referendum gewinnt das „Nein“

Der Präsident vor seinem Wahllokal: Cocabäuerinnen begrüßen Evo Morales Foto: Nicanor Vasquez/ap

von Jürgen Vogt

BUENOS AIRES taz | Deftige Abfuhr für Boliviens Präsidenten Evo Morales: Nach Angaben des Obersten Wahlrats hat sich beim Verfassungsreferendum am Sonntag eine klare Mehrheit gegen eine Änderung der Verfassung ausgesprochen, die dem 56-Jährigen eine weitere Kandidatur ermöglichst hätte. Nach der Auszählung von 72,5 Prozent der Stimmen haben demnach 56,5 mit Nein und 43,2 Prozent mit Ja gestimmt.

Das wäre eine deutliche Mehrheit gegen die Änderung des Paragrafen 168 der Verfassung. Dieser schreibt maximal zwei Amtsperioden eines Präsidenten und des Vizepräsidenten vor. Während die Gegner den Sieg bereits feiern, sprach Vizepräsident Álvaro García von ­einem technischen Patt. Das ­Ergebnis könne sich noch drehen.

Als ginge es um seine Wiederwahl, hatte Morales seine Landsleute gewarnt: „Die, die für das Ja sind, sind auf der Seite des Volkes. Die, die für das Nein sind, sind auf der Seite des nordamerikanischen Imperiums. Ja bedeutet Nationalisierung und Industrialisierung. Nein bedeutet Privatisierung und die Auslieferung der natürlichen Ressourcen an die transnationalen Unternehmen“, sagte er zum Abschluss seiner Kampagne.

Dabei hatte sich Evo Morales die Sache sicher einfach vorgestellt. Nach klaren Wahlsiegen 2005 und 2009 hatte er auch bei der letzten Präsidentschaftswahl im Oktober 2014 mit über 61 Prozent der Stimmen gewonnen. Dass er bereits zum dritten Mal in Folge das Präsidentenamt innehat, verdankt er der neuen Verfassung von 2009. Mit ihr, so die juristische Interpretation, gründete sich die Republik Bolivien als plurinationaler Staat neu und Morales’zweite Amtszeit wurde als seine erste eingestuft.

Auch wenn seine Person nicht zur Abstimmung stand, drehte sich das ganze Referendum doch ausschließlich um ihn und seine Regierungspartei MAS – und förderte etliche Skandale und Skandälchen zutage. So wurde bekannt, dass der Junggeselle Evo Morales 2007 Vater eines gemeinsamen Sohnes mit der damals unbekannten Gabriela Zapata hatte. Diese wurde wenig später, ohne die notwendige berufliche Qualifikation, die leitende Angestellte der bolivianischen Filiale der chinesischen Firma CAMC Engineering. Diese erhielt wiederum Aufträge im dreistelligen Millionendollarbereich vom bolivianischen Staat. Evo hatte Beziehung und Vaterschaft eingeräumt, jedoch habe er Gabriela Zapata seit Jahren nicht gesehen. Prompt tauchte ein Foto auf, das die beiden beim Karnevalfeiern im vergangenen Jahr zeigt.

Dass Morales und seine Regierungspartei MAS (Bewegung zum Sozialismus) ihren Zenit in der WählerInnengunst jedoch nicht erst seit Sonntag überschritten haben, zeichnete sich bereits bei den Gouverneurs- und Kommunalwahlen im März 2015 ab. Damals setzten sich in acht der zehn größten Städte die KandidatInnen der Opposition durch. Die empfindlichsten Schlappen gab es ausgerechnet in den MAS-Hochburgen La Paz und El Alto.

Evo Morales galt lange als unschlagbar. Das ist vorbei

Gerade El Alto stand wenige Tage vor dem Referendum erneut im Mittelpunkt. Bei einer Demonstration, angeblich aufgebrachter Eltern, gegen die katastrophalen Zustände an den örtlichen Schulen, kam es im Rathaus von El Alto zu schweren Ausschreitungen. Feuer wurde gelegt; sechs Menschen kamen ums Leben. Inzwischen deutet vieles darauf hin, dass sich frühere Angestellte der Ratsverwaltung unter die ahnungslosen Eltern gemischt hatten, brutal ins Rathaus eindrangen, es verwüsteten und in Brand steckten.

Vermutet wird, dass Unterlagen und Dokumente vernichtet wurden, die die mutmaßlichen korrupten Machenschaften des vorherigen ­MAS-Bürgermeisters hätten belegen können. Einer von inzwischen sechs verhafteten Verdächtigen steht denn auch mit dem MAS eng in Verbindung.

Wie viele Ja-Stimmen dies alles gekostet haben könnte, bleibt der Spekulation überlassen.