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Archiv-Artikel

Mit Voodoo zur Prostitution gezwungen

PROZESS Sechs Männer stehen vor Gericht, weil sie einen Menschenhändlerring geführt haben sollen

Ein Mitarbeiter im Konsulat schrieb Empfehlungen gegen Bezahlung

Juliet A. wusste, dass sie in Deutschland als Prostituierte arbeiten würde, um die vereinbarten 55.000 Euro für ihre Schleusung von Nigeria nach Deutschland zu zahlen. Doch sie ahnte nicht, wie schwer es sein würde, diese Summe zu erwirtschaften. Als sie ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft verhaftet wurde, hatte sie noch nicht einmal ein Zehntel davon beglichen. Ihre Zuhälterin hatte 9.000 Euro für Juliet bezahlt und sie mit dem JuJu-Schwur erpresst, den sie noch vor ihrer Abreise in einem Voodoo-Tempel in ihrer Heimat hatte ablegen müssen.

Mit der Verlesung der Anklage begann gestern vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen sechs Männer nigerianischer Herkunft. Die 39 bis 54 Jahre alten Angeklagten bildeten laut Staatsanwaltschaft den harten Kern eines mutmaßlichen Menschenhändlerrings. Sieben Landsleute hätten sie nach Deutschland geschleust und in 28 Fällen den erfolglosen Versuch dazu gestartet. Anfang Juli vergangenen Jahres wurden fünf der sechs Angeklagten verhaftet, mittlerweile befindet sich nur noch Omotayo O., der 46-jährige Hauptangeklagte mit deutschem Pass, in Untersuchungshaft. Bereits im August 2008 soll die illegale Visa-Beschaffung begonnen haben. Damals versuchte der Hauptangeklagte, den Nigerianer Jonathan O. unter fiktiven Personalien einzuschleusen. Dreimal wurde das beantragte Visum abgelehnt. Erst im vierten Anlauf, mittlerweile war es November 2011, klappte es: Da hatte ein Bekannter des Hauptangeklagten den Einzuschleusenden über seine Firma nach Deutschland eingeladen. Der Nigerianer blieb in Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. Die Erfolgsquote blieb insgesamt gesehen gering, obwohl die Schleuser nicht nur in Deutschland Nigerianer fanden, die gegen eine Gebühr von 200 bis 400 Euro eine sogenannte Verpflichtungserklärung für ihre angeblichen Verwandten abgaben, sondern auch über einen guten Kontakt zum Generalkonsulat in Lagos verfügten: Eine dort arbeitende Ortskraft war bereit, gegen Zahlung von 750 Euro ein Interview mit den Schleusungswilligen zu führen, in dem nur zuvor abgesprochene Fragen gestellt wurden. Anschließend gab er den manipulierten Vorgang mit einer positiven Empfehlung in den Visa-Entscheidungsprozess des Generalkonsulats.

Zugleich versuchten es die Schleuser weiterhin mit fingierten Geschäftseinladungen: Über die Firma Clean Angel lud man angebliche Handelspartner nach Deutschland ein, die sich gegenüber dem nigerianischen Generalkonsulat für den Kauf von Reinigungsmaschinen interessierten. Auch die Zuhälterin wollte man laut Anklage nicht nur mit der jungen Juliet beliefern. Im Oktober 2011 soll die Zuhälterin eine in Nigeria lebende „Tante Mabel“ gebeten haben, ihr Ersatz für die fünf Monate zuvor verhaftete Juliet zu beschaffen. So wären beinahe noch eine 16- und eine 17-Jährige in ihre Fänge geraten, so der Staatsanwalt. Die Ermittlungen aber hätten „einiges verhindert“. UTA EISENHARDT