: CDU bleibt ländlich, männlich, alt
Partei-Freunde
Feind, Todfeind, Parteifreund – dass der fieseste Gegner immer aus den eigenen Reihen kommt, musste diese Woche Heike Franzen auf die bittere Tour erfahren. Die schleswig-holsteinische CDU-Politikerin unterlag beim Kampf um Listenplatz 1 in ihrem Wahlkreis. Bereits im ersten Wahlgang ging die Politikerin gegen zwei männliche Kommunalvertreter sang- und klanglos unter – eine echte Ohrfeige für Franzen, die seit über zehn Jahren im Kieler Landtag sitzt und zu den wenigen Frauen in der CDU-Fraktion zählt. Ein Schlag auch für die Landespartei, die seit Jahren vom Image „männlich, ländlich, alt“ weg will.
Einige Tage später stellte sich allerdings heraus, dass der Erfolg des siegreichen Thomas Klömmer vor allem auf dem geschickten Einsatz von Parteifreunden beruhte – auch wenn die meisten es erst einmal werden mussten. Klömmer, der 2013 zum jüngsten Bürgermeister des Landes gewählt wurde, hatte nämlich in sozialen Netzwerken um Unterstützung gebeten und dem virtuellen Freundeskreis auch erklärt, dass ein einfaches Daumen-hoch-Zeichen in diesen sogenannten Parteien nicht ausreicht: Für den Wahlgang müsse man „zumindest vorübergehend“ dann doch ganz echt in die CDU eintreten.
Das geschah – Klömmer kam mit rund 80 Neumitgliedern zur Versammlung im „Pahlazzo“ in Pahlen. Das reichte, um die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Als das Flensburger Tageblatt den Fall bekannt machte und die entsprechende WhatsApp-Nachricht veröffentliche, war die Empörung groß – obwohl schon vorher einiges dafür gesprochen hatte, dass der rapide Zuwachs an Klömmer-Parteigängern kein Zufall gewesen war. Vor allem die Kollegen aus der CDU-Landtagsfraktion sind stinksauer: Franzen ist nicht nur stellvertretende Fraktionsvorsitzende, sondern auch seit Jahren die Bildungsexpertin der CDU im Kieler Parlament. Jetzt wird laut über eine Karenzzeit nachgedacht, die verstreichen muss, bevor jemand an Personalentscheidungen mitwirken darf. Bitter bleibt die – gültige – Wahl für Heike Franzen. Da die CDU in Schleswig-Holstein dazu neigt, ihre Wahlkreise direkt zu gewinnen, bietet eigentlich nur der Spitzenplatz in einem sicheren Wahlkreis eine gute Chance, in den Landtag einzuziehen. est
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