: Hihi: Schweineohren
TV Die ARD zeigt den Streit um einen Moscheebau als Feelgood-Komödie: politisch korrekt, aber harmlos („Der Hodscha und die Piepenkötter“, 20.15 Uhr)
von Jens Müller
Don Camillo und Peppone am Rhein: Auch „Der Hodscha und die Piepenkötter“ sind Topf und Deckel, aber bis ihnen das klar wird, müssen sie einander erst 90 Minuten lang piesacken.
Der islamische Religionsgelehrte Nuri Hodscha (Hilmi Sözer) entspricht dem Multikulti-Ideal des liberalen Muslims. Eigentlich. Nichts läge ihm ferner als etwa das Zündeln an den Stars and Stripes – ist er doch der weltgrößte Fan des US-Musikers Bruce Springsteen. Die Piepenkötter (Anna Stieblich) hingegen herrscht als Bürgermeisterin in etwa so christlich-konservativ wie die Kanzlerin über das fiktive Mittelzentrum Lautringen irgendwo in der Nähe von Köln. Ihre „thematischen Eckpfeiler für den Wahlkampf“ sind „Umgehungsstraßenausbau, Kita-Plätze, Zugeständnisse an die Industrie und mehr Lehrstellen“. Die Moschee „steht nicht auf der Agenda“. Denn: Gegen die Moschee, für deren Neubau der Hodscha eigens aus Ankara nach Lautringen gezogen ist, hat sie also gar nichts. Eigentlich.
Wäre da nicht ihr parteiinterner Widersacher, Dr. Schadt (Fabian Busch), der ihr das Amt streitig machen will – und gegen die Moschee polemisiert. Dieser Schadt ist ein populistischer Scharfmacher, der von „Islamistenfabrik“ und „kultureller Identität“ schwadroniert – das Abziehbild eines AfD-Funktionärs mit akademischem Hintergrund. Um gegen den Hodscha zu intrigieren, verbündet sich Schadt ausgerechnet mit dem strenggläubigen Osman (Hasan Ali Mete), der dem Hodscha seinen Job neidet. Osman ist schon dadurch als Bösewicht zu identifizieren, dass er den ganzen Film lang böse ist. Und außerdem seine Frau in einen Tschador steckt. Die beiden Bösewichte stellen sich beim Intrigieren aber so tölpelhaft an – von Sicherheitskopien von Dateien etwa haben sie noch nie gehört –, dass der Hodscha und die Piepenkötter nie ernsthaft in Gefahr geraten. Zumal auf ihrer Seite – denn eigentlich stehen sie ja auf derselben Seite – immer wieder ein schwarzer Schutzengel ins Geschehen eingreift...
Zwischendurch kriegt der Hodscha Schweineohren zu essen – die aus Blätterteig – und bleibt mit Piepenkötter im Fahrstuhl stecken. Er geht zu Boden, sie stichelt: „Beten Sie jetzt? Ich mein, das ist Stahlbeton. Ich hab nicht mal Handy-Empfang hier – ich weiß nicht, ob man zu Allah durchkommt.“ Aber als sie merkt, dass er eine Panikattacke hat, streichelt sie ihn ganz lieb.
Der Moscheenstreit-Film von Regisseurin Buket Alakuş nach einer Romanvorlage von Birand Bingül ist ganz schön politisch korrekt, vorhersehbar und auch rührend harmloser Kitsch. Wer sich zuvor die gerade vom ZDF vermurkste „Familie Braun“ angeguckt hat, wird ihn gleichwohl zu schätzen wissen. Beide Formate setzen der plakativen Plumpheit rechter Parolen ein plakativ plumpes Humorverständnis entgegen. Für den „Hodscha“ aber nimmt ein, dass er seinen schlichten Humor nicht als „schwarz“ verkaufen muss und auf die Hipness einer angeblichen „Webserie“ verzichtet. Er nimmt seine Zuschauer für halbvoll, indem er ihnen etwas antiquiert daherkommende, aber grundehrliche Unterhaltung beschert.
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