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Die Kunst an ihrem Ort

Kunst Nicht alle Werke in den Künstlerräumen der Weserburg wurden tatsächlich für Ihren Ausstellungsort entwickelt. Manche sollten einfach mal gezeigt werden

von Radek Krolczyk

Die riesigen pastellfarbenen Sockel fallen beim Betreten der Ausstellung gleich ins Auge. Sie stehen direkt am Eingang der dritten Ausgabe der „Künstlerräume“, die vor zwei Wochen in der Weserburg eröffnet wurden. In diesem ersten Raum sind Werke des Bremer Künstlers Ingo Vetter zu sehen.

Die Sockel hat der 1968 in Bernsheim geborene Bildhauer selbst konzipiert und gebaut, sie sind Teil seiner Arbeit. Darauf hat er Findlinge platziert – Steine, die er in der Natur gefunden hat. Ausgewählt hat er sie nach ihrer Form: Sie ähneln unseren lebenswichtigen Organen Herz, Lunge, Niere und Leber. Es fällt bald auf, dass sie alle beschädigt sind: An das Herz schmiegt sich ein Rechteck aus Beton, die nebeneinander liegenden Lungenflügel sind durchlöchert, die Leber angeschnitten. Auf ihren Sockeln wirken die Skulpturen wie morbide Kostbarkeiten. Das Ambiente erinnert gleichermaßen an Labor und Boutique.

Vetter leitet als Professor an der Bremer Hochschule für Künste eine der beiden Klassen für Bildhauerei. Für den öffentlichen Raum in München ist die Findlingsarbeit entstanden. Die Exponate vom Teerhof sind als Modelle gedacht. Die Münchener Organe sind mehrere Meter hoch. Vetter war als Künstler lange Zeit in Stockholm und Detroit aktiv.

Er hat als Künstler internationalen Rang, doch in Bremen waren seine Arbeiten bisher nur selten zu sehen. Die Künstlerräume waren eine gute Gelegenheit, um das zu ändern. Noch während der Eröffnung wurde Vetters Arbeit viel diskutiert und gelobt.

Das Ausstellungskonzept der Räume hatte Peter Friese, Direktor des Museums, vor drei Jahren zuerst erprobt. Die Idee dahinter ist, künstlerische Arbeiten auf dem Teerhof zu präsentieren, die allein einen geschlossenen Raum für sich beanspruchen. Auf der ersten Etage reihen sich so 16 solcher Raumwerke aneinander.

Ein Künstlerraum ist klassischerweise im Ganzen als künstlerische Arbeit gedacht. Der Künstler bezieht bei der Entwicklung seines Werkes dabei stets den Raum mit ein, entwickelt die Arbeit für ihn oder aus ihm heraus. Das trifft auf die in der Reihe ausgestellten Werke mal mehr, mal weniger zu.

Vetters Organarbeit mit ihren Sockeln etwa ist immerhin in ihrer jetzigen Form für diesen konkreten Raum geschaffen worden. Das ist nicht immer so. In der aktuellen Ausstellung gibt es Räume, in den etwa Fotografien gezeigt werden, die weniger zwingend auf so ein Konzept angewiesen wären.

Friese denkt seine Künstlerräume nicht orthodox. Vielleicht lassen sich diese Ausstellungen eher mit einer Compilation vergleichen, die es möglich macht, recht frei von konkretem Anlass Werke zu zeigen, die einfach mal gezeigt werden sollten und die dem absolut unterfinanzierten Museum als Leihgaben von Künstlern und Sammlern zur Verfügung stehen.

Künstlerräumesind klassischerweiseim Ganzenals künstlerischeArbeit gedacht

So wie Christian Boltanskis berühmte Arbeit „Photoalbum 1948–1956“ von 1972. Die Bildunterschriften suggerieren, dass auf den insgesamt 32 Bildern der Alltag eines vier- bis zwölfjährigen Jungen gezeigt wird: „Ich hatte auch einen schönen Kasten Soldaten bekommen und machte eine große Schlacht mit meinem Vetter Jean. Die Burg hat mein Vater gebaut, er hatte sie mir zum letzten Weihnachtsfest geschenkt“, heißt es da etwa.

Oder: „Immer noch an meinem Geburtstag, ich hopse auf einem Ball.“ Das Eigenartige an den Bildern ist, dass der mit Soldaten und Hüpfbällen spielende Junge 28 Jahre alt ist. Boltanski hat seit den 60er-Jahren immer wieder auf lustige und bösartige Weise verschiedene Versuche unternommen, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Oftmals verwendete der 1944 im besetzten Paris geborene Boltanski dabei Material, das Erinnerungen an die Schoah evoziert.

Die Arbeit ist eine Leihgabe aus einer der seltsamsten und bedeutendsten Bremer Kunstsammlungen. Sie gehört dem emeritierten Hochschullehrer Volker Schmidt. Mit wenig Geld hat er seit den späten 60er-Jahren eine große Anzahl von Werken bedeutender Konzeptkünstler zusammengetragen.

Sicherlich ein Highlight der Künstlerraumschau ist eine aktuelle Arbeit der Künstlerin Alicja Kwade aus der mit dem Museum eng verbundenen Hamburger Sammlung Sohst-Brennenstuhl. Von der 1979 im polnischen Katowice geborenen Kwade ist ein minimalistisch existentialistisches Werk zu sehen: An der Decke angebracht hängen zwei Kabel mit nackten Glühbirnen. Im Wechsel erlöschen sie. Was dann von ihnen bleibt, ist der Schatten, der durch das Licht der anderen noch leuchtenden Lampe entsteht: Eine Arbeit, die wirklich nur innerhalb eines eigenen weißen Raumes funktioniert. Dies immerhin ist ein waschechter Künstlerraum.

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