: „Wir waren nie ein Hacker-Projekt“
VISIONEN Der Hype um Flattr kam und ging. Mitgründer Linus Olsson gibt den Onlinespendendienst dennoch nicht verloren, erklärt, warum seine Firma ein ganz normales Start-up ist – und erteilt Paywalls eine Absage
■ hat gemeinsam mit dem Netzaktivisten Peter Sunde (Pirate Bay) Flattr im März 2010 gegründet. Der Schwede Olsson ist der Geschäftsführer des Mikrospendendienstes.
INTERVIEW STEFAN MEY
taz: Als Flattr vor zwei Jahren gestartet ist, wurde es vor allem in Deutschland intensiv genutzt. Ist es heute immer noch so?
Linus Olsson: Im Moment müssten es noch um die 50 Prozent sein.
Nach dem großen Hype stagnierte die Verbreitung von Flattr.
Es hat nicht stagniert, aber die technischen Anforderungen sind bis heute zu hoch. Deswegen ist es schwer, Leute zu erreichen, die keine Techies sind. Es gibt auch viele Plattformen, auf denen sich der Button in seiner ursprünglichen Form gar nicht einsetzen lässt: das betrifft die großen Content-Plattformen wie Youtube oder Flickr, aber auch die Sozialen Netzwerke. Deswegen verändern wir gerade grundlegend die Art, wie Flattr funktioniert.
Wie sieht das aus?
Flattr soll an bestehendes Verhalten im Netz andocken. Das beste Nutzungsszenario wäre: Jemand hat einen Account, wenn er dann Inhalte konsumiert und zu erkennen gibt, dass sie ihm gefallen, flattert er sie automatisch. Wir ermöglichen es auch, dass unsere Partner ein Szenario schaffen, bei dem der reine Konsum ausreicht. Das heißt beispielsweise, wenn Sie ein Lied auf der Plattform Grooveshark hören, flattern Sie damit den Künstler.
Viele haben in Flattr anfangs ein nichtkommerzielles Hacker-Projekt gesehen.
Flattr ist nie ein nichtkommerzielles Hacker-Projekt gewesen. Ohne eine Firma, ohne eine Geschäftsführung und Kapital im Hintergrund hätten wir nicht die nötigen Lizenzen bekommen, um Geld zu verwalten.
Flattr ist ein normales Start-up?
Auf jeden Fall. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen uns und vielen anderen Start-ups: Wir bewegen Geld zwischen Leuten hin und her und verlangen dafür eine Transaktionsgebühr. Kostenlose Dienste wie Facebook müssen mit irgendetwas Geld verdienen, meistens mit Werbung. Und je mehr die Betreiber über ihre Nutzer wissen, desto mehr Geld verdienen sie.
Flattr kommt ohne Werbeeinnahmen aus …
Deshalb sind wir nicht darauf angewiesen, die Nutzer auszuspionieren und sie dann an den zu versteigern, der am meisten bietet. Wir haben verstanden, dass wir als Firma Geld einnehmen müssen – damit wir die rechtlichen Anforderungen erfüllen und technische Stabilität garantieren können.
Investoren mögen es nicht besonders, wenn ihre Gründer kein Geld verdienen wollen …
Das war auch das Schwierige: Investoren zu finden, die in Flattr nicht nur ein „Business Case“ eine Geschäftsidee sehen.
■ Der Name Flattr setzt sich zusammen aus Flatrate (Pauschalgebühr) und to flatter (englisch für „jemandem schmeicheln“). Medienanbieter (die taz war 2010 eine der ersten Zeitungen mir Flattr-Funktion) können auf ihrer Website einen Flattr-Button einfügen, den Nutzer anklicken sollen, wenn ihnen die Seite gefällt.
■ Die Nutzer zahlen an den Social-Payment-Service eine selbstgewählte Summe, die sie monatlich für Netzinhalte ausgeben möchten. Am Ende des Monats wird die Anzahl der Klicks eines jeden Nutzers von Flattr zusammengezählt und die eingezahlte Geldsumme gleichmäßig auf alle geklickten Inhalte verteilt. (taz)
Solche Investoren gibt es wirklich?
Natürlich denken viele Investoren ausschließlich an Geld, es gibt aber auch die, die sagen: „Okay, das könnte ein gutes Geschäftsmodell sein, es könnte aber auch dem Netz einen gewaltigen Dienst erweisen.“ Die grundlegende Idee von Flattr ist: wenn wir es möglich machen, für frei zugängliche Inhalte zu zahlen, hilft das dem Netz, mehr solcher Inhalte hervorzubringen.
Schließen sich Flattr und eine Paywall gegenseitig aus?
Unser Dienst ließe sich theoretisch für eine Art Paywall nutzen. Das würde allerdings unserem Grundgedanken widersprechen: je offener der Zugang zu Inhalten ist, desto mehr Leute werden die Inhalte finden, sie wertschätzen und dann über Flattr Geld dafür ausgeben.
Insgesamt waren die Medien bisher sehr zurückhaltend in punkto Paywall.
Das Problem der Zeitungen ist, dass sie sich immer noch in der Debatte befinden: „Wir müssen Paywalls ausprobieren.“ Ich glaube, erst wenn sie das getan haben und merken, dass es doch nicht läuft wie geplant, sind sie bereit, etwas anderes auszuprobieren.