heute in Bremen
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"Jeder Fromme lehnt das ab"

taz salon Im Lagerhaus diskutiert Sülmez Dogan mit Daniel Bax über sein Islam-Angst-Buch

Sülmez Dogan

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40, ist Rechtsanwältin aus Bremerhaven, Grünen-Abgeordnete und Vizepräsidentin der Bremischen Bürgerschaft.

taz: Frau Dogan, sprechen wir genug oder zu viel über den Islam?

Sülmez Dogan: Ich finde, man sollte weg von einer Debatte, die für alles und jedes den Islam verantwortlich macht – und die Vorstellungen vom Islam produziert, die vor allem Angst machen. Zum Beispiel, wenn wir über Köln sprechen…

Sie meinen die Vorfälle von der Silvesternacht?

Genau. Jeder fromme Mensch lehnt so etwas ab. Da müssten wir also die Debatte weg von der Religion lenken, auf das eigentliche Problem, also in diesem Fall die Gewalt, die sexuelle Gewalt, die es gibt, und die auf bestimmte Weise sozialisierte junge migrantische Männer da praktiziert haben. All das hat überhaupt nichts mit dem Islam zu tun.

Allerdings stammen doch die Täter aus stark islamisch geprägten Ländern?

Aber die Religion legalisiert diese Taten ja in keiner Weise. Im Gegenteil. Alle muslimischen Menschen, die ich kenne, verurteilen das aufs Schärfste. Wenn jetzt alle über den Islam sprechen, laufen wir aber Gefahr, über sexualisierte Gewalt nicht zu sprechen. Dabei haben wir da in Deutschland Defizite. Andererseits schüren wir bei den MigrantInnen Ängste.

Sie meinen vor Ihnen?

Nein, eben nicht nur: Diese anti-muslimische Stimmung bereitet vielen Sorge, dass die Diskriminierung zunimmt. Viele aus der türkischen Community haben Angst davor, dass es wie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wird, sie haben vor diesem Generalverdacht gegen den Islam Angst.

Man könnte auch sagen: Angst wächst, wo das Wissen fehlt. Daniel Bax, mit dem wir heute über sein Islam-Angst-Buch diskutieren, hält den laizistischen Zugang für gescheitert. Wäre eine intensivere Beschäftigung mit der Religion nicht das beste?

Da bin ich skeptisch. Was ich erlebe, ist, dass mit dem Blick auf Religion vor allem Stimmung gemacht und alles über einen Kamm geschert wird. Und das erschwert das Zusammenleben nur. Die Frage ist also, ob man über Religion spricht – nur um Voruteile zu verstärken, oder um das Fremde, das der Islam in Deutschland meistens ist, kennenzulernen.

interview: bes

taz Salon: Wer hat Angst ums Abendland? Mit Sülmez Dogan und Daniel Bax: ab 19 Uhr imKulturzentrum Lagerhaus