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Glückliche Esel in England

STIL Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen feiert mit Powerpop Erfolge, was Modbands der Achtziger versagt blieb: Der Sampler „Falscher Ort Falsche Zeit“ erinnert nun an sie

Ein Hauch von Übungskeller: Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, Carsten Friedrichs (Zweiter von rechts) Foto: Martin Morris

Von Sven Sakowitz

Mit ihrem neuen Album tritt Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen endgültig aus dem Schatten ihrer Vorgängerband Superpunk. Das Werk der fünf Musiker aus Hamburg und Berlin trägt den angenehm bizarren Titel „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!“, und für eines gehören sie erst mal gescholten: Mit 30 Minuten ist ihr Album viel zu kurz geraten. Man könnte ewig dabei zuhören, wie Sänger und Gitarrist Carsten Friedrichs über Sonderlinge singt und im Crooner-Style kuriose Begebenheiten schildert.

Wie immer hat er alle Texte verfasst. Diesmal treibt ihn etwa eine Dame um, die sich um geschundene Esel kümmert: „Willst du glückliche Esel sehen / Müsstest du nach England gehen / Zwischen grünen Wiesen im Sonnenschein / Liegt Mrs. Svendsens Eselsheim.“ Ein anderer Song handelt vom zu Unrecht für den Tod von James Dean verantwortlich gemachten Rennfahrer Rolf Wütherich – alles beruht auf wahren Geschichten. „Man mag das abseitig finden, aber mich springen diese Themen geradezu an“, sagt Friedrichs. „Ich schnappe etwas auf, trage dann einen Vierzeiler mit mir herum – und irgendwann macht es zack, fertig ist der Text.“

Musikalisch ist das alles nicht revolutionär, aber seit wann muss jedes Gitarrenriff revolutionär sein? Die Liga setzt auf ihre bewährte Mischung aus Soul, Two Tone und Pop, dennoch befindet sie sich nicht im Stillstand. Behutsam flechten die Musiker in ihre Songs kleine Überraschungen und Versatzstücke ein. Da gibt es Beach-Boys-Gesangsharmonien, Bubblegum-Anleihen, und auch mal einen Hybrid aus Buzzcocks und Cockney Rejects wie beim Über-Hit „You are great but people are shit“. Der Sound der Band ist dicht und stimmig, nie glatt. Durch einen Hauch von Übungskeller-Atmosphäre und die sich wiederholt überschlagende Stimme von Friedrichs vermitteln die Songs eine Haltung aus Eleganz und Rüpelhaftigkeit. Kurzum: Musik, die beglückt.

Perlen aus der Parallelwelt

Viele Songs wurden von Gunther Buskies komponiert. Der Liga-Keyboarder leitet auch das Hamburger Label Tapete, bei dem heute der von ihm und Friedrichs kompilierte Sampler „Falscher Ort Falsche Zeit“ mit deutschsprachigen Power-Pop-Perlen erscheint. Die Zusammenstellung lenkt den Blick auf eine vergessene musikalische Parallelwelt und zeigt, dass in den Achtzigern in Westdeutschland, Österreich und der Schweiz abseits vom Mainstream durchaus melodiöser und tanzbarer Gitarrenpop mit schlauen deutschen Texten entstanden ist. Während Deutschrock à la Klaus Lage die Charts stürmte, brachten kleine Labels wie Snea­ky Pete (von Fehlfarben-Sänger Peter Hein) aufregende Songs in Umlauf. Bands wie Heins damalige Band Family 5 kamen etwas größer raus, die meisten Künstler von einst dürften heute nur Spezialisten ein Begriff sein.

Viele der für den Sampler ausgewählten Künstler hatten Anbindung an die westdeutsche Modszene. Ursprünglich kam die Modkultur aus London. Dort trafen sich ab Ende der fünfziger Jahre stilbewusste junge Leute aus der Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht und setzten dem öden Lebensstil ihrer Eltern etwas Farbe entgegen. Sie hörten Modern Jazz und R & B, trugen smarte Kleidung, fuhren Motorroller und verkehrten in Kneipen der karibischen Einwanderer.

Erst Anfang der achtziger Jahre kam die Modkultur im Zuge des durch den Kinofilm „Quadrophenia“ ausgelösten britischen Modrevivals nach Westdeutschland. Dort trafen die Mods auf andere Jugendkulturen wie Punks, Skins, und Popper. Die Mods galten als snobistisch und verweichlicht und bezogen oft Prügel. Ihre Bands waren inspiriert vom Punk und von Modgöttern wie The Jam. Sicher haben sie auch Television Personalities, Soul und die Kinks gehört und dann im bleiernen Deutschland daraus ihre eigenen Songs zusammengezimmert. Retrospektiv wird deutlich: Ihre Texte waren lange nicht so doof wie die aus der Spätphase der Neuen Deutschen Welle und auch nicht so akademisch wie diejenigen der Hamburger Schule. Es ging um Alltag, Abgrenzung, Abseitiges. Obwohl Frauen in der Modszene oft selbstbewusst und nicht bloß Anhängsel der Kerle waren, bestanden die meisten Bands aus Musikern. Mit den Mobylettes und Painting by Numbers sind auf „Falscher Ort Falsche Zeit“ lediglich zwei Gruppen mit Musikerinnen zu hören. Generell weht Aufbruchstimmung durch alle 19 Songs, ein ansteckendes „Wir machen das jetzt einfach“. Songs wie „Tanzfläche“ (Die Tanzenden Herzen), „Wien ist anders“ (The Venue) und „Vielleicht Menschen“ (Jetzt!) wirken nicht nostalgisch, sondern frisch und müssten eigentlich Hits sein. Aber wie das immer so ist: falscher Ort, falsche Zeit. Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen: „Rüttel mal am Käfig, die Affen sollen was machen!“ (Tapete/Indigo), live: 3. 2. Kiel „Schaubude“, 4. 2. Höxter-Albaxen „Tonenburg“, 5. 2.Essen „Kulturzentrum Grend“, 6. 2. Aachen „OnrUSt“. wird fortgesetzt

Verschiedene Künstler: „Falscher Ort Falsche Zeit. Power Pop & Mod Sounds from Germany, Austria & Switzerland 1980–1990“ (Tapete/Indigo); live: 22. 1. Köln „King Georg“, Albumpräsentation

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