Geldsparen schont die Umwelt

Das Umweltprojekt Ökoprofit hat über 50 Berliner Unternehmen geholfen, mehr als 3,1 Millionen Euro einzusparen. Durch geringfügige Investitionen in den Umweltschutz senken die Firmen ihre Betriebskosten beträchtlich

„Ökoprofit hat uns animiert, uns mit dem Umweltgedanken zu beschäftigen“„Das Team wird bei der Bekanntmachung des Projekts allzu sehr allein gelassen“

VON JENS PACHOLSKY

Die Zeiten sind hart. Wie ein Mantra tragen Wirtschaftsbosse dieses Credo vor sich her. Die Kosten müssen gesenkt werden. 80.000 Euro im ersten Jahr. Nochmal 33.000 Euro im zweiten. Die Georg Lemke GmbH in Neukölln hat diese radikale Reduzierung auf der Ausgabenseite längst hinter sich. Dabei hat der Marzipanhersteller weder Insolvenz angemeldet oder Mitarbeiter entlassen noch die Produktion reduziert. Im Gegenteil, er hat investiert. In die Umwelt.

Bis 2001 hatte der europaweit größte Spezialbetrieb für Marzipanmasse jährlich mehrere zehntausend Euro zu viel an Energie-, Wasser- und Abfallunternehmen gezahlt. Grund waren keine dubiosen Verträge, sondern schlicht und ergreifend unzureichende Betriebsabläufe und Organisationsstrukturen. Die Kosten fielen, wie bei den meisten Unternehmen, unter die nicht getrennt aufgeführten Betriebskosten und wurden somit ohne Hinterfragung gezahlt.

Mit kleinen betrieblichen Veränderungen wie der Absenkung des Betriebsdrucks im Druckluftnetz und Aufbereitung von Prozesswässern, aber auch der Einführung von Abfalltrennung wurden jährlich 10.000 Euro an Energie eingespart, der Wasserverbrauch um über 57.000 Euro gesenkt und die Kosten für die Abfallentsorgung um 12.500 Euro reduziert. Gekostet hat der Georg Lemke GmbH das alles einmalig 10.000 Euro.

Noch größere Erfolge kann das Berliner Studentenwerk vorweisen. Seit 2002 spart es in seiner Mensa Hardenbergstraße und im Wohnheim Franz-Mehring-Platz jedes Jahr rund 230.000 Euro ein. Auch hier wurde mit vergleichsweise geringfügigen 21.000 Euro an Investitionen Abfalltrennung eingeführt, der Papierverbrauch durch elektronische Kommunikation gesenkt und durch ein umfassendes Controlling der Betriebskosten der Strom- und Wasserverbrauch rapide gesenkt.

Das hört sich nach einem Wirtschaftsmärchen an, vor allem wenn bedacht wird, dass Kostenreduzierung in den meisten Unternehmen nicht selten zuallererst bei den Arbeitsplätzen gesucht wird, während Betriebskosten als feste Ausgaben akzeptiert werden. Der Marzipanhersteller und das Studentenwerk wählten einen anderen Weg.

Beide Unternehmen entschlossen sich 2001, an dem Umweltprojekt Ökoprofit Berlin teilzunehmen. „Ökoprofit hat uns animiert, uns mit dem Umweltgedanken zu beschäftigen“, erklärt Angelika Runge, die bei der Georg Lemke GmbH eine neue Stelle als Umweltbeauftragte bekam. Dadurch seien bereits erahnte Schwachpunkte wie der Umgang mit Gefahrgütern aufgedeckt und beseitigt worden. „Außerdem entstand eine konsequente Abfalltrennung und -entsorgung“, berichtet Runge.

Bislang haben insgesamt 50 Berliner Unternehmen aus verschiedensten Branchen bei dem Projekt mitgemacht. Derzeit laufen zwei weitere Kurse mit weiteren 26 Teilnehmern. Durch Maßnahmen wie beim Studentenwerk und bei der Georg Lemke GmbH sparten die Unternehmen dabei bis Ende 2004 insgesamt 3,1 Millionen Euro ein (siehe Grafik). Die dafür notwendigen Investitionen betrugen mit 1,4 Millionen Euro weniger als die Hälfte der erzielten Einsparungen. Das kommt neben der Wirtschaft auch der Umwelt zugute. Da die Einsparungen vor allem durch Ressourcenschonung erzielt wurden, wurden Tonnen an Materialien gespart und Emissionen verhindert.

Zwischen 2001 und 2005 verbrauchten die 50 Unternehmen durch oft geringfügige technische Neuerungen über 9,7 Millionen Kilowattstunden weniger Strom. Damit könnten rund 2.000 Berliner Haushalte ein Jahr lang versorgt werden. Durch effektive Mülltrennung und die Änderung des Materialverbrauchs wurden mehr als 1.300 Tonnen Abfall vermieden. Dies entspricht einer Schlange von 164 Müllfahrzeugen, die vom Fernsehturm bis zur Friedrichstraße reichen würde. Das durch moderne Armaturen und Mitarbeitermotivierung eingesparte Wasser würde ganze 6,5 Millionen Kästen Berliner Mineralwasser zu füllen.

Ökoprofit soll für einen kostenorientierten Umweltschutz stehen. Hinter dem Namen verbirgt sich die recht umständliche Betitelung „ÖKOlogisches PROjekt Für Integrierte UmweltTechnik“. Die Grundidee steckt aber sehr klar in seiner Kurzform – Profit mit Umweltschutz machen und sowohl der Ökonomie wie auch der Ökologie Gewinne ermöglichen.

Als eine Ursache der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsunternehmen werden immer wieder zu hohe Gesamtkosten genannt. Die wenigsten Betriebe sind sich jedoch bewusst, wie viel Geld sie mit falscher Ressourcennutzung verlieren. Meist bleibt zur Optimierung nur das Heranziehen teurer Berater. Das Umweltprojekt versucht, hier einen Mittelweg zu finden zwischen behördlicher Steuerung und privatwirtschaftlicher Beratertätigkeit. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verwaltet und kontrolliert das Projekt gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer und den Unternehmerverbänden Berlin-Brandenburg. Die praktische Arbeit leisten Unternehmensberater, Betriebswirte und Ingenieure, die als Ökoprofit-Team von der öffentlichen Hand kofinanziert werden. Das Umweltprojekt bietet aber nicht nur finanzielle Unterstützung und überlässt dann die Praxis des eigentlichen Umweltschutzes den Betrieben. Die meisten Unternehmen sind vor allem aufgrund der angespannten Wirtschaftslage überfordert mit solchen komplexen Aufgaben wie Umweltschutz. Falls überhaupt ein Umweltbeauftragter im Betrieb existiert, übernimmt er diese Aufgabe nicht selten zusätzlich zu einer Tätigkeit als Controller, Technischer oder Kaufmännischer Leiter. Da bleibt wenig Zeit für eine Vertiefung in die Materie.

Die teilnehmenden Betriebe werden daher in gemeinsamen Workshops in die Konzepte des betrieblichen Umweltschutzes eingeführt. Das Ökoprofit-Team versucht zudem, bei Vor-Ort-Besuchen individuelle Einsparpotenziale zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren. „Andere Umweltförderprogramme sind mehr produktorientiert oder fordern den Einsatz spezieller Technologien“, erklärt Werner Korthaus. Der Projektleiter ist bei Ökoprofit für die Abstimmung der einzelnen Akteure zuständig. „Betrieblicher Umweltschutz bedeutet aber eine Änderung der Unternehmensphilosophie und Unternehmensorganisation, um nachhaltig die Gesetze und behördlichen Verordnungen im Unternehmen unter dem Gesichtspunkt von Kosteneinsparungen zu erfüllen“. Jochen Behrends, bei der IHK Bereichsleiter für Umwelt und Energie, ergänzt: „Ökoprofit ist damit zu einem hilfreichen Instrument geworden, um betriebliche Abläufe mit kompetenten Beratern praxisbezogen auf ihre Umweltrelevanz, aber natürlich auch auf ihre Kosteneinsparpotenziale hin systematisch zu untersuchen.“

Ökoprofit wird zu großen Teilen aus dem Umweltentlastungsprogramm des Landes Berlin (UEP) und dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) finanziert. Damit kann beteiligten Unternehmen die Bezahlung der Berater erleichtert werden. Auch eine Unterstützung bei Investitionen – etwa in neue Technologien – ist möglich.

Die ersten Kontakte zum Umweltprojekt meist über das Ökoprofit-Team, das sich bisher als Brücke zwischen Behörden und Berliner Wirtschaft beweisen musste. Projektleiter Werner Korthaus findet vor allem hier viel Verbesserungspotenzial: „Zwar funktioniert die Zusammenarbeit mit den Behörden bezüglich der Ergebnisprüfung und Abschlussveranstaltungen sehr gut. Das Ökoprofit-Team wird jedoch bei der Bekanntmachung und Präsentation des Projekts allzu sehr allein gelassen.“ Behörden könnten wie die Handwerkskammern ihre Kontakte zu den Unternehmen stärker nutzen, glaubt Korthaus. Dieser Joker sei bisher noch nicht ausgespielt worden.

In anderen Städten ist die Zusammenarbeit weiter fortgeschritten. Dort wird die Idee von Ökoprofit allerdings schon wesentlich länger verfolgt. Entwickelt wurde das Konzept Anfang der 1990er im österreichischen Graz. Bis heute wurde das Umweltprojekt in knapp hundert deutschen Städten und Kommunen initiiert. In insgesamt 17 Ländern, darunter Ungarn, China, Tunesien und Kolumbien, haben mehrere tausend Unternehmen an dieser Zusammenarbeit zwischen Behörden und Wirtschaft teilgenommen.

Dennoch ist auch das Berliner Umweltprojekt auf Fördermittel angewiesen. Indem öffentliche Gelder Berliner Unternehmen helfen, nachhaltig effizient zu arbeiten, könnte auch Berlin stärker beweisen, dass es eine moderne Wirtschaft anstrebt. Denn Umweltschutz ist immer auch Qualitäts- und damit Standortsicherung. Insbesondere die steigenden Ressourcenpreise machen das deutlich. Ein Lebensmittelhersteller wie Georg Lemke verbrauchte 2001 pro Werktag knapp 300 Kubikmeter Trinkwasser. Bei gleich bleibendem Verbrauch wären die Trinkwasserkosten seit 2001 um 18 Prozent gestiegen.

Der Stadt würde mehr Strukturförderung à la Ökoprofit keinesfalls schaden. Mitte November wird bei Ökoprofit erst einmal der nächste Kurs starten. Anschließend können sich wieder ein paar Berliner Unternehmer ihrem neuen Lieblingshobby widmen: umweltschonend Kosten senken.