Dreißig Männer, keine Frau

Comics Zehn Kandidaten zogen sich vom Grand Prix des Festivals in Angoulême zurück, weil keine Zeichnerin nominiert war. Nun soll die Liste erweitert werden

Die Zeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi Foto: dpa/PA

Uderzo. Will Eisner. Robert Crumb. Art Spiegelman. Morris („Lucky Luke“). Die Liste der Träger des Grand Prix de la Ville d’Angoulême ist lang, sie ist prominent und sie ist sehr männlich. Genau eine Frau gewann den Comicpreis, der beim wichtigsten europäischen Festival seit 1978 jährlich für das Lebenswerk vergeben wird: Florence Cestac im Jahr 2001.

Das soll bitte auch so bleiben, muss sich das Auswahlkomitee für den Preis des diesjährigen Angoulême-Festivals bei der Zusammenstellung der Longlist gedacht haben: 30 Personen stehen drauf und nicht eine einzige Frau ist darunter. Die einzige nämlich, die letztes Jahr auf der Liste stand – Marjane Satrapi, feuilletonberühmt für ihr autobiografisches Comic „Persepolis“ – wurde gestrichen, weil sie bekannt gegeben hat, keine Comics mehr zu machen. Das störte andererseits beim Preisträger von 2014, dem „Calvin und Hobbes“-Zeichner Bill Watterson, auch niemanden.

Unmittelbar nach Veröffentlichung der Liste am 5. Januar gab es daher einen Boykott­aufruf der Initiative BDegalité (B.D., also bandes dessinées, ist der französische Begriff für Comics) – und der wirkte. Als Erstes zog sich Riad Sattouf, Autor des 2015 in Angoulême ausgezeichneten „Der Araber von morgen“ zurück, auf Facebook verkündete er am Dienstagabend: „Ich möchte von der Liste genommen werden und hoffe, dass ich wieder draufkomme, wenn sie ausgeglichener ist. Meinen Platz würde ich lieber abgeben, etwa an Rumiko Takahashi, Julie Doucet, Anouk Ricard, Marjane Satrapi, Catherine Meurisse.“

Bis Mittwochabend folgten neun weitere Zeichner Sattoufs Beispiel, darunter Schwergewichte der internationalen Comicszene wie Chris Ware, Milo Manara, Charles Burns und Daniel Clowes – der deutliche Worte fand: „Was für ein lächerliches, peinliches Debakel.“

Franck Bondoux, Festivaldirektor in Angoulême, verteidigte die Liste zunächst gegenüber Le Monde. „Es gibt leider nur wenige Frauen in der Comicgeschichte. So ist die Realität. Wenn Sie in den Louvre gehen, finden Sie dort auch nur wenige weibliche Künstler“.

Nun ist die Comicwelt tatsächlich traditionell eine Männerdomäne. Und auch wenn es immer mehr großartige Zeichnerinnen gibt, wird es sicher noch ein wenig dauern, bis für einen Lebenswerkpreis so viele Frauen wie Männer aufgestellt werden können. Doch das verlangt ja auch niemand. Mehr als null wäre ja ein Anfang.

Diese Erkenntnis hat sich am Mittwoch auch in Angoulême durchgesetzt: auf seiner Website gab das Festival bekannt, die Liste zu erweitern – ohne einen der anderen 30 Namen zu streichen. Wie viele Frauen nominiert werden sollen und wer es wird, ist noch nicht bekannt.

Kandidatinnen gibt es jedenfalls genug: Neben den von Sattouf Vorgeschlagenen wären da beispielsweise Posy Simmonds, Roz Chast, Ulli Lust, Alison Bech­del. Viele weitere Vorschläge werden zudem aktuell auf Twitter gesammelt – unter dem Hashtag #WomenDoBD.

Michael Brake

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