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Angebliche H-Bombe getestet

Nordkorea Das Regime will erfolgreich eine Wasserstoffbombe getestet haben. Das wäre eine neue Dimension. Doch daran gibt es Zweifel

"Wir haben den Rang eines fortgeschrittenen Atomstaats“

Nordkoreanische Erklärung

AUS PEKING Felix Lee

Für ein Erdbeben war es ein ungewöhnlicher Ausschlag auf dem Seismografen. Normalerweise zeichnet die Nadel bei einem natürlichen Beben mehrere Schwingungen auf. Doch was die Seismografen in dem nordchinesischen Erdbebenzentrum in der zu Nordkorea benachbarten Provinz Jilin Mittwochmorgen registrierten, war stattdessen ein einzelner heftiger Ausschlag. Der Erdstoß erreichte eine Stärke von 4,9. Sofort dämmerte es den Mitarbeitern: Das war kein Erdbeben, sondern ein Atomtest.

Wenig später bestätigte Nordkoreas Führung diesen Test. Und für die Weltgemeinschaft noch sehr viel erschreckender: Dieses Mal soll es sich um den Test einer Wasserstoffbombe gehandelt haben – der sogenannten H-Bombe.

Auch wenn es sich nur um eine „verkleinerte“ Bombe handele – „mit dem perfekten Erfolg unserer historischen Wasserstoffbombe haben wir den Rang eines fortgeschrittenen Atomstaats erreicht“, verkündete die Nachrichtensprecherin von Nordkoreas Staatsfernsehens am Morgen. Zugleich versicherte sie in der von ihr verlesenen Erklärung, die Bombe diene lediglich Verteidigungszwecken, fügte jedoch hinzu: „Solange die USA ihre bös­arti­ge Anti-Nordkorea-Politik fort­setzen, so lange werden wir nicht aufhören, unser Atomprogramm weiterzuentwickeln.“

Sollten Nordkoreas Angaben stimmen, hätte das Atomwaffenprogramm des diktatorischen Regimes eine neue Dimension erreicht. In den vergangenen zehn Jahren führte Pjöngjang drei Atomtests durch, zuletzt im Februar 2013. Die Staatengemeinschaft antwortete stets mit Sanktionen.

Was die H-Bombe so besonders spektakulär macht: Bei herkömmlichen ­Atomwaffen aus Plutonium oder Uran werden Kerne gespalten. Das setzt Energie als Hitze, Druck und Strahlung frei. Die unmittelbaren Schäden und die gesundheitlichen Langzeitschäden sind bereits immens. Bei der Wasserstoffbombe jedoch werden Kerne fusioniert, indem bei ihrer Zündung die Elemente Deuterium und Tritium, zwei besonders schwere Isotope des Wasserstoffs, zu Helium verschmolzen werden. Die freigesetzte Menge an Energie ist viel größer. Im Prinzip imitiert die Wasserstoffbombe die Vorgänge in der Sonne. Die erste 1952 von den USA auf einem Atoll im Pazifik getestete Wasserstoffbombe war mehr als 700-mal so stark wie die Hiroshima-Bombe.

Der technische und finanzielle Aufwand der Entwicklung einer solchen Wasserstoffbombe ist jedoch groß. Außer den USA ist es bislang nur Russen und Chinesen gelungen, eine so gefährliche Bombe zu zünden.

Internationale Experten hegen denn auch Zweifel, ob das finanziell völlig ruinierte Nordkorea am Mittwochmorgen wirklich eine H-Bombe testete. Die am Mittwoch künstlich erzeugte Bebenstärke von 4,9 nach chinesischen Angaben ist identisch mit den Werten des letzten Atomtests Nordkoreas.

Auch Vertreter Südkoreas äußern den Verdacht, dass Nordkoreas Regime einen Wasserstoffbombentest nur vortäuscht. Um was für eine Bombe es sich wirklich handelt, könne bei Untersuchungen der Radioaktivität festgestellt werden, heißt es vom südkoreanischen Wetteramt. Das könne aber Tage dauern.

Das hält die Regierungen von Südkorea, Japan und den USA nicht davon ab, lautstark gegen Nordkorea zu protestieren. Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye kündigte bei einem Krisentreffen an, Nordkorea habe einen entsprechenden Preis für seinen Atomtest zu zahlen habe. Auch Russland und China, offiziell nach wie vor Verbündete Pjöngjangs, kritisierten den mutmaßlichen Wasserstoffbombentest für ihre Verhältnisse ungewöhnlich scharf. China bestellte den Nordkoreas Botschafter ein. Noch am Mittwoch soll der UN-Sicherheitsrat zusammentreten.

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