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Archiv-Artikel

„Wir waren ein Geschäft“

David Montgomery versucht, die Zeitungsmacher vom Berliner Verlag mit einem Expansionsplan zu begeistern

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Er ist da. David Montgomery, der Mann aus Nordirland, den sie hier nie haben wollten. Weil er kein richtiger Verleger sei, der stolz ist auf die Qualität seiner Zeitung. Sondern einer, der nur Gewinn machen will und dann wieder abhaut. Einer, dem es egal ist, ob seine Firmen Schrauben drehen oder Marmelade verkaufen oder Wurst. Sie haben protestiert in der Berliner Zeitung und im Boulevardblatt Kurier, sie haben die lautstarke Hilfe von Zeitungsleuten aus der ganzen Republik bekommen. Und jetzt sitzt er auf dem Podium, nennt sich „Eigentümer“ und sagt lächelnd: „Wir strecken Ihnen die Hand entgegen.“

Der Saal im Gebäude des Berliner Verlags ist voll. Zu DDR-Zeiten haben die Parteifunktionäre hier sozialistische Auszeichnungen vergeben und am Nationalfeiertag haben die Mitarbeiter getanzt. Seit der Wende dient der Saal öfter den Kapitalisten: Immer wieder haben sie dort oben auf dem Podium gesessen und verkündet, was sie aus der Berliner Zeitung machen wollen. „Wir sollten Hauptstadtzeitung werden, dann Metropolenzeitung, zuletzt nur noch Zeitung in der Hauptstadt“, ruft die Betriebsratschefin Montgomery zu. „Das haben wir alles schon gehabt.“

Montgomery ist ein schmaler Mann im anthrazitfarbenem Anzug, eigentlich keiner, der einem Angst einflößt. Er sagt, dass er doch als junger Reporter angefangen habe, in den 60er-Jahren in Belfast. Er hat sich seine Rede aufgeschrieben, und immer wenn die Dolmetscherin aus dem Englischen übersetzt, schaut er nochmal über den nächsten Abschnitt seines Manuskripts. „Wir wollen die Berliner Zeitung entwickeln“, trägt er vor, „zu einer seriösen Zeitung mit hoher Qualität!“

Die Mitarbeiter schnauben verächtlich. Und was sind wir, bitte, jetzt? Montgomery lächelt.

Der Investor wirkt ein wenig wie ein europäischer Tourist bei einer chinesischen Teegesellschaft, der so tut, als verstünde er die Witze. Aber er weiß natürlich, dass er seinen neuen Mitarbeitern eine plausible Strategie verkaufen muss, deswegen erklärt er seinen Plan: Er will noch mehr Zeitungen in Deutschland aufkaufen, der Berliner Verlag soll das Qualitätszentrum der neuen Gruppe sein: „als Hauptquartier für unsere weiteren Investitionen.“

Im Veranstaltungsraum sitzt Regine Sylvester in der vierten Stuhlreihe außen. Die Reporterin ist neun Jahre bei der Berliner Zeitung. Jedes Mal, wenn ein neuer Investor kommt, sucht sie sich denselben Platz, dann hat sie den genauen Vergleich. Vor dreieinhalb Jahren, erzählt sie, kam ein charmanter Wiener, umgarnte die Redaktion und sagte, warum sein Arbeitgeber, der Zeitungskonzern Holtzbrinck, so glücklich über die Anschaffung des Berliner Verlags ist. Jetzt sitzt Michael Grabner mit dem roten Einstecktuch wieder auf dem Podium, gleich neben Montgomery, und schimpft auf das Kartellamt, das die Übernahme verboten hat, weil Holtzbrinck in Berlin auch den Tagesspiegel herausgibt. Der Wiener hat es satt, in den Medien tagelang als verantwortungsloser Manager dazustehen, der eine Qualitätszeitung meistbietend losschlägt. Auf Nachfragen reagiert er gereizt. „Er hat gezeigt, dass wir ein Geschäft waren“, sagt Regine Sylvester hinterher, „mehr nicht.“

Sie kennt auch Gerd Schulte-Hillen schon. Er war Vorstandschef beim Verlag Gruner + Jahr, der ihre Zeitung vor Holtzbrinck besaß. Er ist 65 Jahre alt, G + J und dessen Mutterkonzern Bertelsmann haben ihn vor einer Weile hinauskomplimentiert. Irgendwer ist auf die Idee gekommen, dass Montgomery Vertrauen gewinnt, wenn er Schulte-Hillen als Vizechef eines neuen Aufsichtsrats installiert. Schulte-Hillen hält nun einen Vortrag von der Zeitung der Zukunft, von Qualität und den Möglichkeiten der UMTS-Handys – wie in den goldenen Zeiten der Medienbranche.

„Montgomery und Schulte-Hillen haben eben ihre Goodwill-Reden gehalten“, sagt Regine Sylvester später im 13. Stock. „Wir hoffen, dass die Chefredakteure nicht hinschmeißen.“ Uwe Vorkötter von der Berliner Zeitung und Hans-Peter Buschheuer vom Kurier haben den Investoren öffentlich das Misstrauen ausgesprochen. Das brachte ihnen im Haus Ansehen ein. Bleiben sie, so könnten sie den neuen Eigentümern selbstbewusst entgegentreten. Bisher halten sie sich bedeckt. Montgomery dürfte ein Interesse haben, sie zu behalten. Er wiederholt ständig, wie viel er mit den Chefredakteuren reden wolle.

„Wenn Montgomery einen Neuen installiert, dann schlägt dem gleich so was von Misstrauen entgegen“, sagt Jutta Kramm, Nachrichtenchefin der Berliner. Sie wertet mit Kollegen gerade Montgomerys Auftritt aus. „Hält der uns für blöd?“, fragt eine Redakteurin, „ich fühle mich verraten und verkauft.“ Das Konzept, Berlin als Brückenkopf für die Eroberung weiterer Zeitungsmärkte in Deutschland zu nutzen und dann eben bei den anderen Blättern in der Provinz zu sparen, leuchtet Jutta Kramm nicht ein. „Wir haben ja einen Schwerpunkt auf Ostdeutschland – was wollen denn Leute in Franken über die PDS wissen?“

Ein Stockwerk höher sitzt Anreas Lorenz, der Sportchef vom Berliner Kurier. Vorher war er 16 Jahre bei Springer. Er erlebte, wie Springer-Chef Mathias Döpfner seine Berliner Morgenpost mit der Welt verschmolz. Auch damals war von hoher Qualität und großen Synergien die Rede. Am Ende wurde Lorenz aufgefordert, Redakteure zu benennen, die verzichtbar seien. Er verließ Springer.

Eigentlich müsste so einer illusionslos sein, aber Lorenz wiederholt dauernd das Wort „zauberhaft“. „Wenn der zauberhafte Fall eintreten würde, dass hier nochmal jemand Geld in die Hand nimmt, kann er keine bessere Ausgangsposition finden.“ Er will, wie viele, Montgomery einfach beim Wort nehmen. Was können sie auch sonst tun?