: Frohlocken im Epizentrum
AMERICAN FOOTBALL Nach 21 Jahren hat Los Angeles wieder ein NFL-Team. Die St. Louis Rams ziehen nach Kalifornien um. Und die San Diego Chargers könnten bald folgen
von Markus Völker
Gelangweilt haben sich die Sportfans im Großraum Los Angeles noch nie. Wer Basketball gucken wollte, ging zu den Lakers oder Clippers. Wer Eishockey mochte, machte sich auf zu den Kings oder den Anaheim Ducks. Wer ein Fußballfan war, hielt zu Galaxy. Baseball-Aficionados pilgerten zu den Dodgers. Und Freunde des uramerikanischen Raufsports American Football schauten sich Collegespiele der Bruins oder Trojans an. Da war für jeden etwas dabei, zumal auch die Los Angeles Sparks, ein Frauenbasketballteam, mit Korblegern lockte. Doch die kalifornische Megacity gibt noch mehr her. In der kommenden Saison der National Football League wird es ein NFL-Team aus Los Angeles geben. Die St. Louis Rams wandern an die Westküste. Es ist gewissermaßen eine Heimkehr, denn der Großraum Los Angeles war von 1946 bis 1994 bereits einmal die Heimat der Rams.
Rams-Eigner ENOS „Stan“ Kroenke
Dass Profiklubs verpflanzt werden, ist im US-Sport normal. Dass nun aber aller Voraussicht nach gleich zwei NFL-Unternehmen nach Los Angeles abwandern, in eine Stadt, die 21 Jahre kein Footballspiel auf höchstem Niveau gesehen hat, ist durchaus ungewöhnlich. Der Grund ist ein opulenter Stadionbau, der zwischen 1,5 und 2,8 Milliarden Euro kosten soll. Fertigstellung: 2017. Die Multifunktionshalle soll im Stadtteil Inglewood in der Nähe des Flughafens entstehen. Rams-Miteigner Enos „Stan“ Kroenke wird sie größtenteils finanzieren. Kroenke ist mit einer Walmart-Erbin verheiratet und hat sich im Sportbusiness einen schillernden Namen gemacht, denn er sammelt Sportklubs wie weniger betuchte Angeber Oldtimer. Immobilienmogul Kroenke, geschätztes Vermögen: über 2 Milliarden Dollar, ist als Vorsitzender von Kroenke Sports Enterprise alleiniger Besitzer der Colorado Avalanche (NHL), der Denver Nuggets (NBA), der Colorado Mammoth aus der Lacrosse-Liga NLL und der Colorado Rapids aus der Fußballliga MLS. Außerdem gehört ihm eine große Sportarena in Denver und der regionale Sportsender Altitude Sports and Entertainment. Damit nicht genug, hält er die Mehrheit der Anteile am englischen Premier-League-Klub FC Arsenal. Der 68-Jährige hat sich also ein veritables Sportimperium aufgebaut.
„Das war die schwierigste Entscheidung, vor der ich jemals stand. Wir sind begeistert, aber es ist bittersüß“, sagte Kroenke in Houston. Mit 30:2 Stimmen hatten die Klubs aus der Profiliga dort den Antrag des Unternehmers abgesegnet. „Mit der Rückkehr der NFL zementiert Los Angeles seine Stellung als Epizentrum der Sportwelt“, sagte Bürgermeister Eric Garcetti mit kalifornischer Zurückhaltung: „Wir können es kaum noch erwarten, die Rams willkommen zu heißen.“ Kroenkes Umzugspläne ließen sich leichter realisieren, weil die beste Zeit der Rams schon etwas zurückliegt. In der Saison 1999/2000 gewannen sie den Super Bowl, doch seit 2004 sind sie nicht mehr in die Playoffs gekommen.
Ähnlich ging es den San Diego Chargers, die es in den vergangenen fünf Jahren nur einmal in die Playoffs schafften. Die Chargers haben nun die Option, das neue Stadion in L. A. gemeinsam mit den Rams zu nutzen. Die Chargers sind seit 1961 in San Diego zu Hause, davor spielten sie für ein Jahr in Los Angeles – auch sie kehren zurück. Verlockend ist vor allem der Umzug in einen modernen Sportpalast. Ihre eigene Arena ist 48 Jahre alt, und die Stadt San Diego machte kaum Anstalten, eine neue zu finanzieren. Eine Verpflanzung der Chargers in die 160 Kilometer nördlich gelegene Metropole ist also wahrscheinlich. Sollte Spanos allerdings in San Diego bleiben wollen, könnten die Oakland Raiders in Kroenkes geplanten Monsterbau einziehen.
Die Fans in St. Louis finden den Umzug weniger gut. „Behaltet die Rams hier“, hatte das Publikum kurz vor Weihnachten während des letzten Heimspiels gegen die Tampa Bay Buccaneers gefordert. „Eine Umsiedlung ist ein schmerzhafter Prozess“, sagte Roger Goodell, Chef der NFL. Fragt sich nur, für wen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen