: „Keine Verhandlungsbasis“
TERROR Andreas Zumach erörtert Strategien, mit der Organisation „Islamischer Staat“ umzugehen
61, ist UN-Korrespondent der taz in Genf, Publizist und Träger des Göttinger Friedenspreises.
taz: Herr Zumach, Sie beschäftigen sich mit der Frage, ob mit dem IS verhandelt werden soll. Will der das überhaupt?
Andreas Zumach: Der IS ist die erste Terrororganisation, die keine politischen Forderungen stellt. Sogar die palästinensische Befreiungsorganisation und auch die Taliban hatten bestimmte Forderungen, über die verhandelt werden konnte. Beim IS gibt es keine Verhandlungsbasis.
Gibt es ein internationales politisches Szenario, in dem der IS wirklich ein anerkannter Staat sein könnte?
Das ist durchaus denkbar, wenn der Westen den Krieg fortsetzt. Denn durch die militärische Bekämpfung wird der IS stärker und könnte sich auf mehr Regionen ausweiten – Libyen zum Beispiel. Wenn der IS noch mehr Gebiete unterwirft, könnte er die Anerkennung seines eigenen Staates erzwingen.
Will der IS nicht unendlich expandieren?
Nein. Er will das Gebiet des historischen Kalifats erobern: die heutigen Staaten Syrien, Libanon, Irak, Jordanien, Israel/Palästina und Saudi-Arabien, Teile Nordafrikas wie Libyen sowie möglicherweise die bis 1492 überwiegend von Muslimen bewohnte Iberische Halbinsel.
Welche Lösung ist am erfolgversprechendsten?
Am besten wäre es, wenn die Staaten die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats vom September 2014 und Dezember letzten Jahres zur finanziellen Austrocknung des IS wirklich umsetzen würden. Das Problem ist aber, dass sich Staaten wie Katar und die Türkei weigern, ihre Unterstützung des IS zu beenden. Auch die Finanzierung durch private Unterstützer lassen einige Staaten wie Saudi-Arabien einfach zu. Erst wenn die Finanzströme trockengelegt sind, ist der IS besiegbar.
Ist der IS ein Einzelphänomen?
Es handelt sich um ein Gesamtproblem, das besonders der Westen mitverursacht hat. Uns fliegen im Krisenbogen zwischen Marokko und Pakistan gerade 400 Jahre europäische und osmanische Kolonialgeschichte um die Ohren. Der IS ist unter allen islamistischen Terrorgruppen aber die erste, die einen eigenen Staat zum Ziel hat. Das macht ihn auch so attraktiv für seine Kämpfer.
Viele kommen ja von hier.
Die Entsendung von IS-Kämpfern aus Europa muss dringend unterbunden werden. Dafür muss Europa verhindern, dass die saudischen Wahabiten in Europa islamische Einrichtungen finanzieren, in denen Kämpfer für den IS rekrutiert werden.
Interview: Eva Przybyla
19 Uhr, Dammweg 20
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen