Die Kraft der Gefühle

Nachruf Natalie Cole sang Soul, Pop und Rock aus Leidenschaft. In Las Vegas, am Broadway und mit eigener Fernsehshow war die Tochter von Nat King Cole erfolgreich

Schnörkellos und ausdrucksstark war ihr Gesang. Natalie Cole in New York 2013 Foto: David Alan Kogut/Polaris/laif

von Franziska Buhre

Wenn einer Königin die Krone durch eine andere Frau abgenommen wird, schlagen die Wellen der Aufmerksamkeit im ganzen Land hoch. Das geschah 1976, als die Sängerin Natalie Cole bei den Grammy Awards in der Kategorie Best Rhythm-and-Blues Female Vocal Performance ausgezeichnet wurde. Bis dahin hatte eine einzige Sängerin diesen erst 1967 eingeführten Preis erhalten: Aretha Franklin, die „Queen of Soul“. Die 25-jährige Natalie Cole nahm ihr die Krone mit ihrem Debütalbum „Inseparable“, das sich bereits über eine Million Mal verkauft hatte. In dem Titelstück klingt die Vielseitigkeit ihres Gesangs an, von der scheuen, aber entschiedenen Liebeserklärung bis zu den hohen durchdringenden Bögen, mit denen sich Gefühle in ihrer Stimme schlicht Bahn brechen.

Wie zerbrechlich die Bindung dieses Hits an seine erste Interpretin war, erlebte Cole zuletzt 2013: In der Fernsehshow American Idol sangen die Gewinnerin Candice Glover und die Sängerin und Schauspielerin Jennifer Hudson „Inseparable“ im Duett, in der Sendung wurde Coles Name unterschlagen. Als sie ihrem Ärger darüber auf Twitter Luft machte, wurde sie als Spielverderberin bezeichnet und musste sich wiederum im Fernsehen dazu erklären. Ausgerechnet in dem Medium, das ihre Laufbahn fast noch mehr prägte als die jährlichen Alben in den 70er und frühen 80er Jahren. Bereits vor dem Tiefpunkt ihrer Karriere spielte eine Aufnahme des Fernsehsenders CBS in Coles Konzerten eine Rolle: 1981 sang sie live im Duett mit der Projektion ihres berühmten Vaters, dem Jazzsänger und Pianisten Nat King Cole, den Song „Unforgettable“.

Natalie Cole wurde am 6. Februar 1950 in Los Angeles geboren, die erste Tochter von Nat King Cole und der Sängerin Maria Hawkins Cole. Über ihre behütete Kindheit in der privilegierten Nachbarschaft des Viertels Park Heights sagt sie später, sie sei erst weiß geworden und viel später eine schwarze junge Frau, denn schwarze MitschülerInnen waren auf den Privatschulen, die sie besuchte, eine Ausnahme. Im Hause der Coles gingen Jazzgrößen wie der Bandleader und Komponist Count Basie oder die Sängerinnen Sarah Vaughan und Nancy Wilson ein und aus, besonders beeindruckt war Natalie von Harry Belafonte. Natalie sang zwar mit ihren Schwestern, die Eltern unterstützten aber eher ihren Wunsch, Ärztin zu werden. Sie war 15, als ihr Vater starb, mit 18 studierte sie Kinderpsychologie an der Universität von Massachusetts in Amherst. Cole hört Bands wie Sly & the Family Stones, The ­Beatles, Janis Joplin und Jefferson Airplane, sie machte ihre ersten Drogenerfahrungen und jobbte als Kellnerin.

Durch Zufall wurde aus diesem Job ein Gig als Sängerin, sie sang eine Mischung aus Soul, Rock und Jazz. In New York und Chicago trat sie gemeinsam mit dem Rhythm-and-Blues-Sänger Al Hibbler auf, in der Windy City entstand Ende 1974 schließlich „Inseparable“. Chuck Jackson und Melvin Yancy schrieben und produzierten ihre Songs auch auf den nachfolgenden Alben, ihr Gesang ist zugleich schnörkellos, ausdrucksstark und brilliert auch im Zaum von Lautstärke und Tempo.

Yancy wurde Coles Ehemann für ein paar Jahre und Vater ihres Sohnes Robert. Ein halbes Jahr nach dessen Geburt stand Natalie Cole 1978 als Gastgeberin vor den Fernsehkameras in Los Angeles. Seit 1976 war sie 40 Wochen im Jahr getourt, mit Bill Cosby in Las Vegas aufgetreten und am Broadway in New York, sie sang im Duett mit Frank Sinatra und spielte Konzerte mit dem Jazzgitarristen George Benson. Nun ist der weiße Arrangeur Nelson Riddle mit seinem Orchester bei ihr zu Gast, er hat viele Jahre mit Nat King Cole zusammengearbeitet. Die Show wird ein großer Erfolg und Natalie Cole erhält einen Stern auf dem Walk of Fame, bei dem ihres Vaters.

1982 bat sie um einen richterlichen Beschluss, mit welchem ihre Mutter über ihren Besitz verfügen kann, sie rang mit Drogenabhängigkeit, noch über Jahre. Anfang der 90er war die Musikproduktion schließlich in der Lage, ihren Gesang mit dem ihres Vaters in einem Klangbild zu vereinen, das Ergebnis, „Unforgettable“ eine Sensation, ihr Comeback und seit der Silvesternacht ihr bekanntestes Vermächtnis. Natalie Cole starb am Morgen des 1. Januar im Alter von 65 Jahren in Los Angeles an Herzversagen.

Einer ihrer Lieblingssongs war „Que Sera, Sera“ von 1956 – der Ungewissheit in den Worten „Whatever will be, will be“ vermochte wahrscheinlich nur sie eine gewaltige Kraft abzugewinnen und in wahrhaftige emotionale Glut zu verwandeln.