Intendant der Elbphilharmonie: „Ich habe ein Königreich“

In einem Jahr eröffnet das Sorgenkind Elbphilharmonie. Der seit 2007 amtierende Intendant Christoph Lieben-Seutter litt bei Pannen mit, bereut aber nichts.

Generalintendant Christoph Lieben-Seutter im Zuschauerraum der Laeiszhalle in Hamburg. Foto: Sven Hoppe (dpa)

taz: Herr Lieben-Seutter, wird die Elbphilharmonie je ein Haus für alle sein?

Christoph Lieben-Seutter: Wird sie. Wir erwarten nicht nur auf der Plaza Zigtausende Besucher, auch das Konzertprogramm ist breit gefächert und zugänglich. Allerdings ist durch die horrenden Baukosten das Vorurteil entstanden, dass die Eintrittskarten hochpreisig sein werden. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Auch für hochkarätige Konzerte wird es Karten zum Preis einer Kinokarte geben.

Akustisch ist die Elbphilharmonie für Klassik konzipiert.

Das stimmt, auch wenn sich der Klassik-Begriff längst stark erweitert hat; Jazz ist Teil der klassischen Musik geworden, auch die Rolling Stones sind längst Klassiker. Aber wenn Sie mit Klassik Werke meinen, die von sogenannten klassischen Komponisten geschrieben wurden und auf den üblichen akustischen Instrumenten gespielt werden: Dann wird das rund drei Viertel der Elbphilharmonie-Bespielung ausmachen.

51, ist seit 2007 Generalintendant von Laeisz­halle und Elbphilharmonie. Sein Vertrag läuft bis 2018.

Das ist kein Programm für alle.

Ich stehe dazu, dass es in der Kultur Dinge gibt, die nicht jedem sofort zugänglich sind. Und es ist klar, dass das, was wir anbieten, nicht automatisch 90 Prozent der Bevölkerung in die Wiege gelegt ist. Nicht jeder ist sofort dafür ausgerüstet, eine anderthalbstündige Mahler-Sinfonie zu hören. Aber jeder kann es ausprobieren. Abgesehen davon: Minigolf spielt auch nicht jeder. Deshalb ist er noch lange nicht elitär.

Apropos: Wurden die Kosten der Elbphilharmonie besonders scharf kritisiert, weil sie ein Kulturbau ist?

Jein. Ich glaube, die exorbitanten Kosten wurden zu Recht kritisiert. Was aber unfair ist: Die Elbphilharmonie kostet nicht deshalb eine dreiviertel Milliarde Euro, weil sie ein Klassik-Konzerthaus ist. Sondern weil man auf einen alten Kaispeicher ein spektakuläres, multifunktionales Gebäude gesetzt hat, das auf Stützen steht und statisch schwierig ist. Teuer wird das Ganze durch die architektonische Einzigartigkeit. Die bedeutet immer auch ein Risiko.

Und wo stehen Sie persönlich? Sie sind jetzt neun Jahre im Amt – ein König ohne Reich ...

Ich habe ein Königreich, wenn auch noch nicht das, für das ich gekommen bin: Ich verantworte die Laeiszhalle und ein reichhaltiges Musikprogramm. Ich habe hier ein Projekt, wie es kein zweites gibt auf der Welt – mit allen Höhen und Tiefen.

Haben Sie nie an Kündigung gedacht?

Ein einziges Mal hatte ich eine Unsicherheit. Als 2008 die Bauskandale hochkochten, dachte ich: Das liegt dermaßen im Argen, keiner kann mir garantieren, wann das fertig wird, was mache ich hier eigentlich? Aber dann habe ich für mich entschieden: Okay, die Elbphilharmonie ist architektonisch, städtebaulich, künstlerisch ein absolut einmaliges Projekt. Das ist viel mehr, als nur ein Konzerthaus zu führen, da will ich bis zum Ende dabei sein.

Aber sind Sie nicht trotzdem zum Buhmann geworden, auf den die Skandale abfärbten?

Am Anfang bin ich in Hamburg ja erst mal groß gefeiert worden, als der tolle Musikmanager, der alles richtet. Als dann die Bauskandale losgingen, hieß es plötzlich: „Und dieser Intendant, was macht der hier überhaupt, der versteht Hamburg gar nicht.“ Da hab ich es auch mal abgekriegt. Inzwischen bin ich lange genug hier, mache mit den Elbphilharmonie-Konzerten ein erfolgreiches Programm und habe auch sonst in der Stadt ein sehr gutes Standing.

Haben die Elbphilharmonie-Konzerte genug Abonnenten gebracht, die Sie mit ins neue Haus nehmen können, dessen großer Saal 2.150 Leute fasst?

Nein, aber das macht mir keine grauen Haare. Wir haben mit über 2.000 die meisten Abonnenten in Hamburg nach dem NDR und viele neue Konzertbesucher, die keine Abos kaufen. Außerdem wird die Elbphilharmonie neuen Schwung auslösen. In dieses attraktive Haus werden in den ersten Monaten Zigtausende kommen. Auch ins Konzert, schon aus Neugier. Die spannende Frage ist: Kommen die ein zweites Mal?

Werden Sie?

Touristen vielleicht nicht, aber es geht uns in erster Linie um Hamburg. Die Elbphilharmonie wird nur dann ein nachhaltiger Erfolg, wenn sie von den Hamburgern regelmäßig besucht wird. Wir müssen nicht nur künstlerisch überzeugen, sondern auch vom Gesamteindruck her: Der Kartenkauf muss leicht sein, die Verkehrsanbindung stimmen, der Pausen-Kaffee schmecken.

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