: Regelmäßige Glücksmomente
SKISPRINGEN Nach acht Jahren beharrlicher Arbeit kann der deutsche Bundestrainer Werner Schuster ansehnliche Erfolge vorweisen. Neben Severin Freund, der bei der Vierschanzentournee Platz zwei belegt, hat er wieder ein Team mit Perspektiven aufgebaut
aus innsbruckKlaus-Eckhard Jost
Die Faust schießt schnell in den Himmel, bis der Arm ganz ausgestreckt ist. Es ist das neue Markenzeichen von Werner Schuster. Denn so häufig wie in den vergangenen zwölf Monaten konnte der Bundestrainer der deutschen Skispringer zuvor nicht ausfahren. Die himmelwärts gereckte Faust ist auch das Zeichen: Wir sind oben.
Auch wenn es in diesem Jahr mit dem Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee wieder nichts wird, die deutschen Springer schneiden bestens ab – und das nicht nur wegen Severin Freund. Es ist die mannschaftliche Stärke, die überzeugt. Richard Freitag, Andreas Wank und Andreas Wellinger belegen die Ränge neun bis elf, Stephan Leyhe folgt auf Platz 15.
Nicht nur auf dem Trainerturm zeigt Werner Schuster Selbstvertrauen, sondern auch abseits der Schanze. Dies äußert sich beim 46-Jährigen nicht in markigen Sprüchen. Das ist nicht seine Art. Aber er lässt zum ersten Mal einen Blick in sein Innerstes zu: „Heute kann ich zugeben, dass uns letztes Jahr sehr wehgetan hat.“ Mutig hatte vor allem Severin Freund angekündigt, um den Gesamtsieg bei der Tournee mitspringen zu wollen. Doch schon nach dem ersten Springen in Oberstdorf hatte darauf keiner der deutschen Springer mehr eine Chance. Ganz im Gegensatz zu diesem Jahr, als Freund den Auftakt gewann.
Zwar gab‘s immer mal wieder punktuell kleine Highlights, ansonsten hat Werner Schuster lange auf solch regelmäßige Glücksmomente warten müssen. Die Initialzündung war der Sieg im Teamwettbewerb bei den Olympischen Spielen in Sotschi. Dazu kam im vergangenen Winter der Gewinn des Gesamt-Weltcups durch Severin Freund.
Acht Jahre ist der Mann aus dem Kleinwalsertal mittlerweile Bundestrainer. Zwei Trainer, Wolfgang Steiert und Peter Rohwein, waren nach den riesigen Erfolgen durch Martin Schmitt und Sven Hannawald unter Trainer Reinhold Hess gescheitert. Auch weil der Blick auf die Nachwuchsarbeit verloren ging.
„Ich hab damals Leute übernommen, die schon im Herbst ihrer Karriere waren“, sagt er. Schmitt, Michael Uhrmann oder Georg Späth. Kein Vergleich zum heutigen Team, in dem die Mischung von alt und jung stimmt. „Jetzt haben wir eine Mannschaft, die wie der Sevi am Zenit ist, andere sind noch vor ihrem Zenit“, sagt der Coach, „mit denen möchte ich schon noch weiterarbeiten.“ Damit sind auch Diskussionen, der Österreicher könne künftig als Cheftrainer seines Heimatlandes arbeiten, im Keim erstickt.
Im Grunde genommen war es klar, dass Werner Schusters Weg einmal zum Deutschen Ski-Verband führen würde. Aufgewachsen ist er im Kleinwalsertal. „In der Gegend ist dir der Wiener fremd“, hat er einmal gesagt, „ich bin mit der D-Mark groß geworden.“ Zu einem Umzug nach Deutschland konnte er sich dann jedoch nicht durchringen. Er lebt jetzt in Mieming oberhalb von Telfs. Das ist kein Nachteil. „Ein wenig Distanz schadet manchmal nicht“, sagt er und lacht herzlich. Ansonsten funktioniere die Kommunikation dank der technischen Möglichkeiten hervorragend.
Zu seinen Springern, die seine Sachlichkeit schätzen, hat er eh einen engen Draht. „Er spielt uns nichts vor, denkt innerlich nicht etwas anderes, als er nach außen vorgibt“, sagt Richard Freitag, „er hat die Leitung – aber auch die gewisse Lockerheit.“ Der ehemalige österreichische Sportdirektor Toni Innauer kennt Schuster schon lange: „Werner strahlt eine innere Ruhe aus, weil er für sich sehr geordnet ist, sehr nüchtern analysieren kann und die Dinge pragmatisch, realistisch und sachlich darstellt. Das ist etwas, das Athleten, wenn sie eine gewisse Reife haben, sehr schätzen.“
Ein zweiter Platz 1988 in Sapporo – das ist die Bilanz von Schusters Skisprungkarriere. Und der Schanzenrekord von 158 Metern in Copper Peak. Danach wurde die kleinste Skiflugschanze stillgelegt. „Ich habe für mich die richtige Entscheidung getroffen, rechtzeitig Sport zu studieren, Trainer zu werden und mit jungen Leuten etwas zu machen“, sagt Schuster. Über Tätigkeiten am Skigymnasium in Stams, wo er mit Gregor Schlierenzauer arbeitete, und einem Jahr als Cheftrainer der Schweizer kam er nach Deutschland. Heute sagt er: „Das Projekt in Deutschland anzugehen war mutig, es hat sich aber rentiert.“ Vor allem, wenn noch häufig die Faust nach oben fliegt.
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