: Dauer bietet keinen Schutz
URTEIL Weil sie sich nicht ausreichend um ihre Integration bemüht haben sollen, droht zwei Romafamilien aus Göttingen die Abschiebung ins Kosovo –nach 17 Jahren
Obwohl sie schon rund 17 Jahre in Deutschland leben und die meisten ihrer Kinder hier geboren wurden, müssen zwei Romafamilien mit ihrer Abschiebung ins Kosovo rechnen. Das entschied gestern das Verwaltungsgericht Göttingen unter Hinweis auf eine fehlende Integrationsbereitschaft der Familien (Az. 1 B 318 und 319/15).
Die Familien aus Göttingen waren Ende der 1990er-Jahre nach Deutschland gekommen. Sie hatten kein Asyl beantragt, Aufenthaltserlaubnisse wurden wiederholt abgelehnt, auch die niedersächsische Härtefallkommission lehnte Anträge der Familien zweimal ab.
Die Eltern hätten trotz Arbeitserlaubnis ihren Lebensunterhalt nie selbst sicherstellen können und die insgesamt 13 Kinder beider Familien seien zum Teil nur unregelmäßig zur Schule gegangen, befand nun das Gericht. Dagegen hätten die Familien nichts unternommen, es habe zahlreiche Bußgeldverfahren gegeben. Außerdem seien die Väter wegen Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt worden, die Eltern auch nach 17 Jahren der deutschen Sprache kaum mächtig.
Aus Sicht des niedersächsischen Flüchtlingsrates könnte die Abschiebung gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Dass Familien nach so langem Aufenthalt Deutschland verlassen müssten, komme zwar vor. „Aber nach 17 Jahren und wenn die Kinder hier geboren wurden“, sagte ein Sprecher, „das ist schon extrem.“
Die Situation im Kosovo stehe einer Abschiebung nicht entgegen, entschied das Gericht. Die Lage dort sei für Roma zwar schwierig und von Diskriminierungen geprägt. Ein Abschiebeverbot könne sich aber nur ergeben, wenn die Betroffenen sehenden Auges in den Tod abgeschoben oder schweren Gesundheitsgefahren ausgesetzt würden. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Die Betroffenen können noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einlegen. (dpa)
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen