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Archiv-Artikel

Agfa-Arbeiter fühlen sich übers Ohr gehauen

Mit dem Aus der AgfaPhoto GmbH sind nicht nur 1.700 Jobs weg. Die Noch-Beschäftigten sehen sich jetzt auch noch um ihr Geld geprellt. Längst ausgehandelte Vorruhestandsgelder und Abfindungen würden nicht mehr gezahlt

KÖLN taz ■ Die Zerschlagung der AgfaPhoto GmbH geht voran: Der Verkauf von ersten Teilen des insolventen Fotoherstellers sei für nächste Woche zu erwarten, teilte ein Unternehmenssprecher gestern mit. Als Interessent gilt unter anderem der japanische Fotohersteller Fuji, der möglicherweise 60 Arbeitsplätze übernehmen wird. Unterdessen sehen sich zahlreiche AgfaPhoto-Mitarbeiter wegen der Insolvenz des Leverkusener Unternehmens um ihr Geld geprellt.

Nicht nur, dass zum Jahresende die komplette Produktion ausläuft und die meisten der einst 1.700 Arbeitsplätze abgebaut werden dürften – auch schon zugesagte Leistungen würden nun nicht mehr bezahlt. Das berichtet zumindest Rechtsanwalt Harald Kaiser, der viele der AgfaPhoto-Beschäftigten vertritt. Insgesamt hätten seine Mandanten offene Forderungen im Wert von 8,6 Millionen Euro, so der Leverkusener Anwalt. Dabei gehe es etwa um Vorruhestandsverträge im Wert von 200.000 Euro pro Vertrag oder um zugesagte Abfindungen, die zwischen 20.000 bis 70.000 Euro liegen würden.

Kaiser wirft dem ehemaligen Mutterunternehmen Agfa-Gevaert nun vor, die Belegschaft falsch informiert zu haben, bevor Ende 2004 Teile des Unternehmens als AgfaPhoto GmbH in die Selbstständigkeit entlassen wurden. „Es wurde ausdrücklich zugesichert, dass sich das neue Unternehmen in hervorragender Verfassung befindet“, empört sich Kaiser. Deswegen hätte die Belegschaft der Ausgliederung auch nicht widersprochen.

Das war wohl ein Fehler: Denn als die neu gegründete AgfaPhoto GmbH nach gerade mal einem halben Jahr im Mai 2005 überraschend Insolvenz anmeldete, wurde vielen Mitarbeitern klar, dass nun auch ihre noch mit Agfa-Gevaert abgeschlossenen Verträge unerfüllt bleiben könnten. Gerüchte machten die Runde, dass die Ausgliederung von AgfaPhoto mit anschließender Insolvenz nur ein Trick war, um Beschäftigte leichter entlassen zu können.

Tatsächlich hat AgfaPhoto-Geschäftsführer Hans-Gerd Jauch die Entlassungen der halben Belegschaft aufgrund der Insolvenz als branchenüblich dargestellt. „Nachdem Eastman Kodak einen Abbau von 40 Prozent der Arbeitsplätze weltweit angekündigt hat, liegen wir mit unserer Planung trotz Insolvenz im Branchentrend“, sagte er im Juli.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat bisher jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, obwohl immer noch Anzeigen eingehen, wie ein Sprecher bestätigte. Den Beschäftigten bleibt so im Moment nur die Qual der Wahl: Wen zur Verantwortung ziehen – die zahlungsunfähige AgfaPhoto oder die ehemalige Mutterfirma Agfa-Gevaert?

Manche Beschäftigte haben laut Kaiser ihre Ansprüche beim Insolvenzverwalter von AgfaPhoto angemeldet. Sollte ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nicht entsprochen werden, bleibe ihnen die Möglichkeit, zu klagen. Andere versuchen, ihr Geld von Agfa-Gevaert direkt zu bekommen. Wegen der „fehlerhaften Unterrichtung“ sei die Gründung von AgfaPhoto unrechtmäßig gewesen und nachträglicher Widerspruch gegen den Betriebsübergang jetzt noch möglich, argumentiert Rechtsanwalt Kaiser.

So sind inzwischen dutzende Verfahren beim Arbeitsgericht Solingen gegen Agfa-Gevaert anhängig, da sich das Unternehmen weigere, die vereinbarten Summen zu zahlen, bedauert Kaiser: „Wir versuchen, eine Lösung mit Agfa-Gevaert auszuhandeln. Leider geht Agfa-Gevaert auf Tauchstation.“ Auch auf Anfrage der taz nahm Agfa-Gevaert keine Stellung. DIRK ECKERT