Kaum Hoffnung für den HSV-Handball

Insolvenz Nicht einmal HSV-Mäzen Rudolph sieht noch Chancen für den Hamburger Handballklub. Viele Spieler wollen zu anderen Vereinen wechseln. Trainer Biegler ist derweil weit weg in Polen

Als wäre die Situation für den insolventen HSV Hamburg nicht schon prekär genug, hat nun auch noch Ex-Präsident und Mäzen Andreas Rudolph dem Handball-Bundesligaklub eine Perspektive abgesprochen. „Es geht aus meiner Sicht nicht nur um Altlasten, sondern um eine Fortführungsprognose, die ich nicht als gegeben sehe. Ich denke, das Projekt HSV-Handball funktioniert in Hamburg nicht“, sagte Rudolph, der nach eigener Aussage von 2004 an rund 40 Millionen Euro in den Klub investiert hat.

„Meines Wissens stehen jeden Monat 100.000 Euro Einnahmen 400.000 Euro Ausgaben gegenüber.“ Selbst der Gewinn der Meisterschaft 2011 und der Champions League 2013 habe wenig bewirkt: „Es ist schon sehr enttäuschend, wie schlecht Spitzensport in Hamburg honoriert wird“, klagte der 60 Jahre alte Medizintechnik-Unternehmer. Seine Kritik richtete Rudolph an die Handballfans, die Wirtschaft und die Stadt. Leid täten ihm die Spieler.

Eben jene müssen derzeit vor dem Training erst einmal die Post abholen – auf elektronischem Weg. Der Trainingsplan kommt per E-Mail vom Coach Michael Biegler. Denn der Trainer ist nicht vor Ort – sondern in Polen. Schon seit Oktober 2012 ist Biegler dort Nationalcoach. Gerade bereitet er die Mannschaft auf die Europameisterschaft vor, die von Mitte Januar an in Polen stattfindet. Der HSV muss ohne Biegler klarkommen.

Noch im Frühjahr hatte es bei den Vertragsverhandlungen zwischen dem HSV und dem polnischen Verband geheißen, dass es zum Jahresende eben den „doppelten Biegler“ geben werde. Das polnische Team sollte zum Trainingslager nach Hamburg kommen. Der HSV wollte sich an den Kosten beteiligen – und Biegler vormittags beim einen und nachmittags beim anderen Team sein.

Alles passé. Wegen Schulden in Höhe von rund fünf Millionen Euro hat der HSV am vergangenen Dienstag die Insolvenz angemeldet. Biegler reiste daher nun nach Polen, wohin der Verband den Lehrgang verlegt hat – und die HSV-Spieler, die noch immer auf die Gehälter für Oktober und November warten, werden per E-Mail trainiert.

Beim gestrigen Heimspiel gegen den SC Magdeburg (27:22) saß Geschäftsführer Christian Fitzek auf der Bank. So soll es auch am Mittwoch beim TuS Nettelstedt-Lübbecke laufen und am kommenden Sonntag im Heimspiel gegen Frisch Auf Göppingen.

Jetzt heißt das Ziel: in die EM-Pause kommen und Zeit gewinnen. Viele Spieler werden den Klub verlassen. Adrian Pfahl ist sich mit Göppingen über einen Wechsel im Sommer einig. Vermutlich wird er bereits zum 1.Januar wechseln. An Torhüter Jens Vortmann und Hans Lindberg sind die Füchse Berlin interessiert.

Wer bis zum Saisonende bleibt, darf sich auf einen Absturz in der Tabelle gefasst machen. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden dem HSV acht Punkte abgezogen, vier weitere Zähler gingen verloren, wenn das negative Eigenkapital bis zum Stichtag 31.Dezember 2015 nicht verbessert würde. Christian Görtzen