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Die Else, der Erich und der Jörn

Porträts Mit „Hamburg ins Gesicht geschaut – Porträts aus fünf Jahrhunderten“ liefert der Verband Historische Museen Hamburg eine seltsam schlechte Ausstellung ab: Über die Bilder erfährt man kaum etwas

Ein Kiosk-Paar in Altona, Jungs im Hafen: eigentlich interessante Bilder, aber mit wenig Kontext ausgestellt  Fotos: Altonaer Museum, Museum der Arbeit

von Frank Keil

Betritt man den Vorraum zur Sonderausstellung „Hamburg ins Gesicht geschaut“ im Austragungsort Hamburg Museum und schaut im dort ausliegenden Gästebuch nach, dann meint man sich in einem Refugium der Wutbürger zu befinden. Wohl selten ist so unverblümt eine Ausstellung nach erfolgtem Besuch in Grund und Boden kommentiert worden. „Schade“ und „enttäuschend“, das sind noch die mildesten Anmerkungen, die nachzulesen sind. „Eine Zumutung!“, hat ein Besucher geschrieben, „rundrum ärgerlich“, ein anderer, bis hin zu dem Eintrag: „Im Grunde genommen ein Skandal“. Womit gemeint ist, dass man „im Grunde genommen“ streichen sollte.

Dazu muss man nun weitergehen, an einem Porträt von Siegfried Lenz vorbei, das eine ganze Wand füllt und das in seiner eigentümlich weiblichen Inszenierung des pfeife-rauchenden Dichters offenbar als Gegenpol wie Ergänzung des hemdsärmelig Zigarette rauchenden Helmuts fungieren soll. Und dann steht man im großen Sondersaal des Hauses und schaut sich um. Porträts über Porträts hat man an die Wände geworfen, bis hoch fast unter die Decke. Schnell sind die Kategorien erfasst: ‚Kindheit und Jugend’, ‚Partner und Paare’ oder ‚Ereignisse im Porträt’; aber auch „Erzwungene Porträts“ und als Letztes: „Tote im Porträt“.

Keine Schildchen

Schnell fällt aber auch auf, dass man auf die Menge an Porträtmaterial aus einigen hundert Abbildungen ungewohnt reagiert hat: Keine Schildchen sind an den Bildern zu entdecken, die sagen, wer wer ist und wer das Porträt wann und in welchem Zusammenhang gemalt, gezeichnet oder fotografiert hat; keine Texttafeln führen durch die zu behandelnden fünf Jahrhunderte, um so eine Verknüpfung von Lebensgeschichte zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte herzustellen.

Stattdessen blättert man in einem kleinen Heftchen, in dem Abschnitt für Abschnitt Legenden der gefüllten Wände abgebildet sind, dazu die durchnummerierten Porträts. Und man liest Angaben wie: „219 – Heinrich Zeise d. Ä. 1790-1794, Pastor“ oder „Christoph Kay, 1934, Goldschmied, von Walter Renzing“. Das ist erst mal nicht allzu erhellend.

Keine Beschreibung

Doch vielleicht hilft eines der vielen Tablets, die in der Mitte auf den sitzbankähnlichen Podesten aufgereiht sind und die ganz nebenbei die Botschaft verströmen: Dies hier ist ein modernes Museum, hier ist man auf dem neuesten Stand. Aber ein Viertel der Tablets funktioniert gar nicht. Und auch bei den funktionierenden währt die Vorfreude nicht lange: Bei der Hälfte der angezeigten Bilder passiert – nichts.

Gerne hätten wir doch erfahren, was es mit der wunderbar dokumentarischen Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Kiosk-Paares in Ottensen aus den 1980er-Jahren des Altonaer Fotografen Hans Meyer-Veden auf sich hat. Doch auch wenn sich das angetippte Tablet-Bild wie vorgesehen öffnet, steht nach Auflistung von Bildtitel und Porträtisten oft nur das Wort „Beschreibung“ da. Und wenn eine solche geliefert wird, ist sie nicht immer ergiebig.

Das gilt auch für das sehr schöne Porträt einer Frau im grünen Kleid, das man gerne anschaut. Auf dem Tablet angetippt, erfährt man: „Else Wessel war die Ehefrau des Hamburger Malers Erich Wessel. Neben der Darstellung des einzigen Sohns Jörn wurde Else Wessel besonders oft von ihrem Mann bildlich festgehalten.“ So richtig überraschend ist das bei einem Maler nicht.

Zu einem Porträt des Hamburger Künstlers Horst Janssen des Fotografen Fritz Peyer ist schon etwas mehr zu erfahren: „Der Zeichner, Grafiker und Schriftsteller Horst Janssen erfährt wegen seiner außergewöhnlichen Begabungen bis heute große Resonanz. Er besaß aufgrund seiner vielen Frauenbeziehungen zudem den Ruf eines Lebemannes. Der Theaterfotograf und Fotojournalist hielt denn auch einen speziellen Moment fest: Janssen ist im Gallionsfigurensaal des Altonaer Museums zusammen mit einer weiblichen Gallionsfigur zu sehen, die ihre Brüste entblößt.“ Zum Kuckuck, wer denkt sich denn solch einen schlüpfrig-unsinnigen Quatsch aus?

Keine Gegenwart

Noch etwas anderes fällt schnell auf: Die unmittelbare Gegenwart und die vergangenen Jahrzehnte bis Mitte der 1980er-Jahre werden nicht behandelt. Einzig ein paar neuere Büsten von Axel Springer, Gerd Bucerius und Alfred Toepfer sind zu sehen. Was daran liegen dürfte, dass die Historischen Häuser der angeblichen Weltstadt Hamburg ab Mitte der 1980er-Jahre nicht mehr gesammelt und nicht mehr eingekauft haben.

Jetzt hat man den Salat: Es klafft eine riesige Lücke, die umso mehr auffällt, als gerade das Porträt als Moment der ständigen Kommunikation im Kontext der auch schon nicht mehr so neuen sozialen Medien geradezu eine bildnerische Explosion erfahren hat – Stichwort: Selfie. Gerade die fällt bei dieser Präsentation unter den Tisch. Und diese Ausstellung soll noch bis zum Mai nächsten Jahres laufen und in dieser Zeit die Besucher locken. Seltsam.

Und auch nicht. Denn mit „Hamburg ins Gesicht geschaut“ offenbart besonders das Hamburg Museum, das ja den Wandel der Stadt Hamburg dokumentieren und vermitteln sollte, in einer schon beeindruckenden Offenheit seine Lustlosigkeit dieser Welt da draußen gegenüber. Dass man mal eine Ausstellung vergurkt, das kommt vor, das gehört dazu, damit muss man leben.

Aber gab es in den letzten – sagen wir ruhig: Jahrzehnten irgendeine Ausstellung im Hamburg Museum, die in Erinnerung geblieben ist? Wurde irgendeine Markierung gesetzt, irgendein Impuls gegeben, sich tiefergehend mit den Entwicklungen, damit auch Widersprüchen und erst recht Konfliktlinien im sozial-urbanen Gefüge dieser Stadt zu beschäftigen, wie sie zuletzt in der Abstimmung über Olympia deutlich wurden?

Stattdessen herrscht eine durch und durch museale Muffigkeit, die im vorliegenden Fall eben wie ein Spiegel funktioniert: Man will den anderen schauen und während man auf ihn schaut, vergisst man sich umzudrehen und einen Blick auf die Welt hinter einem zu werfen – die so ganz anders geworden ist.

bis 22.5.2016, Hamburg Museum

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