: "Es hat sich nichts geändert"
Dokumentarfilm Rasmus Gerlach kritisiert Gefahrengebiete und anhaltende Polizeiwillkür
52, Regisseur, filmt, seit es ihm mit 16 Jahren vom Arbeitsamt empfohlen wurde.
taz: Herr Gerlach, was zeigen Sie heute Abend?
Harald Gerlach: Heute ist eine Doppelveranstaltung: Zuerst zeige ich den Film „Lampedusa auf St. Pauli“ und danach meinen neuen Film „Gefahrengebiete und andere Hamburgensien“.
Was genau ist denn eine Hamburgensie?
Das ist ein kunstgeschichtlicher Begriff mit dem vor allem in bürgerlichen Kreisen Ansichten von Hamburger Gebäuden oder anderen lokalen Spezialitäten bezeichnet wurden. Mit der Roten Flora und den ehemaligen Esso-Häusern zeige ich Hamburgensien etwas anderer Art.
Gehören Ihre beiden Filme zusammen?
Nicht zwingend. Eigentlich werden sie separat voneinander gezeigt. Sie sind jedoch zur gleichen Zeit entstanden und passen inhaltlich gut zueinander. Denn der Umgang mit der Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge war, neben den Protesten um die Esso-Häuser und die rote Flora, einer der Anlässe für die Großdemonstration am 21. Dezember, die von der Polizei gewaltsam beendet wurde. Daraufhin wurden in Hamburg die Gefahrengebiete ausgerufen.
Was hat sich seitdem geändert?
Der Teilerfolg der Beendung des großflächigen Gefahrengebiets ist der Niederlage gewichen, dass es mit St. Georg und St. Pauli immer noch zwei Gefahrengebiete gibt. So gesehen hat sich leider nichts geändert, obwohl das Hamburger Oberverwaltungsgericht die polizeiliche Einrichtung von Gefahrengebieten für verfassungswidrig erklärt hat.
Deshalb haben Sie einen Film darüber gedreht?
Ich lebe selbst in einem der Hamburger Gefahrengebiete und bin schon ein Dutzend Mal von Polizisten kontrolliert worden – nur weil sie es können. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass das Problem der Polizeiwillkür weiterhin besteht. Ich glaube, viele Menschen in Hamburg wissen gar nicht, dass es die Gefahrengebiete noch gibt.
Sind Ihre Filme politisch?
„Lampedusa auf St. Pauli“ ist eine neutrale Langzeitbeobachtung der Lampedusa-Aktivisten und ihres politischen Wirkens. „Gefahrengebiete“ ist ein bisschen essayistischer und hat einen subjektiveren Blickwinkel auf die Klobürstenrevolution in den Gefahrengebieten und die Repression durch die Polizei.
Interview: Morten Luchtmann
20 Uhr, Kollektives Zentrum, Norderstraße 65
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen