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Gut gemeint und schlecht gemacht

Betreuung Für die ehrgeizigen Ziele des Kinderfördergesetzes in Sachsen-Anhalt müssen vor allem die Eltern zahlen. Damit wird die Intention des Gesetzes ins Gegenteil verkehrt. Der Landtag diskutiert nun Möglichkeiten zur Kostendämpfung

Ganztagsbetreuung garantiert. Aber wer bezahlt? Foto: Martin Jehnichen/laif

von Michael Bartsch

DRESDEN taz | Die vorbildlich ausgebaute Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt erinnerte stets ein wenig an den Sozialismus. Das Land, das bei wirtschaftlichen oder demografischen Daten mit dem Schlusslicht-Negativimage zu kämpfen hat, leistete sich trotzdem unter SPD-Einfluss die komfortabelste Kinderbetreuung der Bundesrepublik. Schon seit 1991 bestand ein Rechtsanspruch auf Betreuung bereits im Krippen­alter. Doch ein Vierteljahr vor der Landtagswahl im kommenden März ist in vielen Kommunen und vor allem bei Eltern ein heftiges Murren aufgekommen. Sie haben den Eindruck, dass die seit 2013 geltenden Wohltaten des neuen Kinderfördergesetzes vor allem von den Eltern selbst bezahlt werden müssen.

Schon im Februar dieses Jahres hatte sich etwa im Raum Mansfeld die Bürgerinitiative „Kontra-Kifög“ gegründet. Ab dem 1. März sollen hier die monatlichen Elternbeiträge für einen Kindergartenplatz auf 220 Euro steigen und sich damit nahezu verdoppeln. In der Krippe sollte der Beitrag von 170 auf 265 Euro steigen. Das Sozialministerium in Magdeburg verfügt über keine landesweite Statistik, aber auch andere Kommunen haben die Gebühren um mehr als ein Drittel erhöht. Ist etwas faul an dem seit zwei Jahren geltenden Kinderfördergesetz? Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) bestreitet das und verweist auf regional sehr unterschiedliche Beiträge. „Ein Gesetz, das gleichermaßen für alle gilt, kann nicht schuld sein, wenn es vielfältige Entwicklungen gibt“, sagt er. „Das Land gibt immer mehr Geld“, weist er den zugeschobenen schwarzen Peter auch in finanzieller Hinsicht von sich.

An dem im Dezember 2012 von der CDU-SPD-Koalition verabschiedeten Kinderfördergesetz gab es von Anfang an auch Kritik. Es stellte zwar den vollen Anspruch auf eine bis zu zehnstündige Ganztagsbetreuung wieder her, den zehn Jahre zuvor die CDU-FDP-Koalition auf berufstätige Eltern beschränkt hatte. Auf breite Zustimmung stießen auch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, ein verbindliches Programm zur frühkindlichen Bildung und die Beitragsermäßigungen für Mehrkindfamilien.

Doch die Opposition kritisierte schon damals das „Reförmchen“, so die Grünen-Abgeordnete Cornelia Lüddemann, als halbherzig. Es sei auch nicht klar, wie der erhöhte personelle und finanzielle Aufwand bewältigt werden könne. Erzieher zeigten sich unzufrieden, weil Vor- und Nachbereitungszeiten für den Dienst nicht ausreichten. Die reichliche Hälfte aller 122 Kommunen im Land klagten aus formalen Gründen gegen das Gesetz: Durch den Übergang der Leistungspflicht von den Kommunen auf die Landkreise sahen sie ihr Selbstverwaltungsrecht verletzt.

Vor allem hinsichtlich des Finanzierungsmodells zeigen sich nun tatsächlich Pferdefüße des Gesetzes. Mehrkosten entstehen, weil auch bei einer Spitzenquote von fast 96 Prozent betreuter Kinder deren absolute Zahl immer noch leicht steigt. Für die Kalkulation der Landeszuschüsse war eine durchschnittlich achtstündige tägliche Betreuung angenommen worden. Tatsächlich dürften die Kita-Dienste jedoch im Schnitt eine Stunde länger genutzt werden. Seit der Landeszuschuss nicht mehr als Platzpauschale gewährt wird, müssen die Träger außerdem genaue Kalkulationen vorlegen. So fließen lange nicht berücksichtigte Tariferhöhungen und Sanierungskosten neuerdings in die Gebühren ein.

Einige Kommunen haben die Gebühren um mehr als ein Drittel erhöht

Vor allem aber wirkt sich ein Passus aus, der zunächst wie ein faires Angebot an die Eltern klingt. Ihr Anteil an den von Land, Landkreisen, Kommunen und Eltern gemeinsam getragenen realen Kosten eines Platzes darf 50 Prozent nicht übersteigen. Doch viele Kommunen, die in bester Absicht bisher deutlich unter dieser Elternquote blieben, müssen diesen Spielraum angesichts prekärer Haushalte nun ausreizen. Die Kommunalaufsicht hält sie sogar dazu an. Es sind diese sprunghaften Erhöhungen, die derzeit für das Reizklima sorgen. Mit ihnen wird die ursprüngliche Gesetzesintention in ihr Gegenteil verkehrt.

Als Ausweg scheint nur eine weitere Erhöhung des Landeszuschusses oder eine Umlenkung von Bundesgeldern möglich. Sozialminister Bischoff konnte sich im Volksstimme-Interview aber nicht vorstellen, dass die Landesgelder immer noch nicht ausreichen. 2012 belief sich diese Summe auf 185 Millionen Euro, im kommenden Jahr sollen es schon 275 Millionen sein. In der vorigen Woche debattierte der Landtag unter anderem darüber, ob umverteilte Mittel aus dem als verfassungswidrig eingestuften Betreuungsgeld des Bundes für die Kinderbetreuung eingesetzt werden können. Im kommenden Jahr kann Sachsen-Anhalt mit 9 Millionen Euro rechnen, im Folgejahr mit 23 Millionen. SPD-Spitzenkandidatin und Fraktionschefin Katrin Budde schlägt vor, die Elternbeiträge bei 190 Euro monatlich zu deckeln. Die CDU will gar ein beitragsfreies letztes Kita-Jahr.

Für das Jahr 2016 ist nach drei Jahren Geltungsdauer ohnehin eine Evaluation des Kinderfördergesetzes vorgeschrieben. Eine Aufgabe für die neue Regierung. Bei der Landtagsdebatte entstand der Eindruck, dass alle Landtagsparteien dieses Thema nicht im Wahlkampf ausschlachten wollen und sich um eine Kostendämpfung noch vor der Wahl im März bemühen.

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