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Archiv-Artikel

Zukunftsangst treibt Sparquote nach oben

Haushalte legen im Schnitt 10 Prozent der Einkommen auf die hohe Kante. Ökonomen: Schlecht für die Konjunktur

HAMBURG taz ■ Die Bundesbürger sparen zu viel. „Die dadurch mitverursachte schwache Nachfrage ist seit Jahren die Achillesferse der Konjunktur in Deutschland“, beklagt Wirtschaftsforscher Günter Weinert anlässlich des „Weltspartages“ an diesem Freitag.

Rund 160 Euro legt jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Monat auf die hohe Kante zurück. Im vergangenen Jahr summierte sich dieses fleißige Sparen auf 154 Milliarden Euro. Ein Plus von 4 Prozent und damit ein Wachstum, von dem Konjunkturforscher nur träumen können. Die Sparquote stieg 2004 von 10,3 auf 10,5 Prozent leicht an. Auch in diesem Jahr ging es bergauf. Die Sparquote, die den Anteil des Sparens am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte zeigt, kletterte in den ersten sechs Monaten weiter auf nun 10,6 Prozent nach oben. Das errechnete das Statistische Bundesamt. Damit setzt sich der Anstieg der Sparquote in den letzten Jahren erneut fort, im Jahr 2000 hatten die Haushalte lediglich 9,2 Prozent ihres Einkommens zurückgelegt.

Eine hohe Sparquote kann die Konjunktur ausbremsen. „Sie sorgt dafür“, kritisiert Günter Weinert vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), „dass eine kräftige Erholung oder gar ein Aufschwung ausbleibt.“ In die gleiche Kerbe schlägt Alternativchefökonom Rudolf Hickel: „Es ist ein Problem für Deutschland, dass zu wenig vom Einkommen wieder in den Konsum zurückfließt und so die Nachfrage und darüber die Wirtschaft ankurbelt.“ Hickel führt anderseits das starke wirtschaftliche Wachstum in den USA, Großbritannien und Skandinavien seit Mitte der Neunzigerjahre auch auf die insgesamt niedrigen und zeitweise sinkenden Sparquoten zurück. So halbierte sich der OECD zufolge in Großbritannien seit 1995 die Sparquote von 10 auf rund 5 Prozent.

Getrieben wird die Sparlust von zwei Seiten. Menschen mit hohem Einkommen parken ihr Geld seit dem Börsencrash im März 2000 mit Vorliebe in kurzfristigen, sicheren Geldanlagen, da die langfristigen Zinsen niedrig sind und die Kapitalmärkte für Investitionen kaum Alternativen bieten. Was den Reichen bleibt, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten. Zugleich grassieren unter den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen die Sorge um den Arbeitsplatz und die Erwartung, dass zukünftig das Einkommen geringer ausfallen wird. „Die Folge ist Angstsparen“, sorgt sich Rudolf Hickel.HERMANUS PFEIFFER